Die Brücke am Kwai
Augenblick, wo Sie der Meinung sind… Verstehen Sie mich doch richtig. Es geht nicht darum, daß die Kranken oder Schwerverletzten arbeiten sollen. Wir müssen uns jedoch darüber klarsein, daß wir in einer Frist von einem Monat eine Arbeit bewältigt haben müssen. Ich verlange harte Anstrengungen, das weiß ich, aber ich kann nicht anders. Infolgedessen wird jedesmal, wenn Sie mir einen Mann von der Baustelle wegnehmen, dadurch die Arbeitsleistung für die anderen etwas härter. Das müssen Sie sich jeden Moment vor Augen halten, begreifen Sie das? Selbst wenn einer von den Leuten nicht in bester Verfassung ist, so kann er sich doch nützlich machen, indem er bei leichten Arbeiten mithilft, zum Beispiel beim Zusammenfügen der Hölzer oder bei kleineren Verschönerungsarbeiten… wie bei dem allgemeinen Abschmirgeln, mit dem Hughes in Bälde beginnen wird, nicht wahr?«
»Ich nehme an, Sie werden die Brücke streichen lassen, Sir?«
»Daran ist nicht zu denken, Clipton«, sagte der Oberst voller Heftigkeit. »Wir könnten ohnehin nur einen Kalkanstrich anbringen. Und was wäre das für ein Ziel für die Luftwaffe! Sie vergessen, daß wir uns im Krieg befinden.«
»Ja, das stimmt, Sir. Wir sind im Krieg.«
»Nein; keinen Luxus. Es genügt, daß das Bauwerk sauber und ordentlich fertiggestellt wird . Ich bin also gekommen, um Ihnen dies zu sagen. Man muß den Männern klarmachen, daß es sich um das Prinzip der Solidarität handelt… Sehen Sie den Mann dort zum Beispiel, was ist mit dem?«
»Er hat eine bösartige Verletzung am Arm, die er sich beim Heben der Pfeiler für Ihre gottverdammte Brücke zugezogen hat, Sir«, brach Clipton los. »Ich habe so an die zwanzig Mann hier mit der gleichen Geschichte. Natürlich vernarben die Wunden bei ihrem Gesundheitszustand nicht, sondern entzünden sich. Ich habe nichts da, womit ich sie vorschriftsmäßig behandeln könnte.«
»Ich frage mich«, sagte der Oberst, der dickköpfig seine Idee verfolgte und die ungehörige Ausdrucksweise überhörte, »ich frage mich nur, ob in einem solchen Falle der Aufenthalt in frischer Luft und eine vernünftige Beschäftigung nicht besser für die Gesundung der Leute ist, als wenn sie hier, ohne sich zu rühren, in Ihrer Bude eingesperrt sind. Na, Clipton, was halten Sie davon? Schließlich legt man doch bei uns nicht einen Mann ins Lazarett, weil er sich den Arm aufgeschürft hat. Ich glaube, daß Sie, wenn Sie gut darüber nachdenken, am Ende doch meiner Meinung sein werden.«
»Bei uns, Sir… bei uns… bei uns!«
Er hob mit einer ohnmächtigen und verzweifelten Gebärde die Arme zum Himmel empor. Der Oberst zog ihn von den Kranken fort in den kleinen Raum, der als Behandlungszimmer diente, und fuhr fort, für seine Sache einzutreten, wobei er an sämtliche Vernunftgründe appellierte, auf die sich ein Vorgesetzter in einem ähnlichen Fall berufen kann, wenn er eher überzeugen als befehlen will. Als Clipton immer noch nicht recht überzeugt zu sein schien, brachte er schließlich wie einen schneidenden Hieb sein stärkstes Argument an: falls Clipton sich in dieser Weise versteife, dann würden es die Japaner übernehmen, das Lazarett zu säubern, und sie würden das tun, ohne einen Unterschied zu machen.
»Saito hat mit drakonischen Maßnahmen gedroht«, sagte er. Das war nun eine fromme Lüge. Saito hatte zu diesem Zeitpunkt auf jegliche Brutalität verzichtet, da er endlich begriffen hatte, daß diese zu nichts führen werde, und da er im Grunde sehr zufrieden war, feststellen zu können, daß nach außen hin unter seiner Leitung das schönste Bauwerk der ganzen Strecke erstellt wurde. Oberst Nicholson ermächtige sich zu dieser Wahrheitsentstellung, obwohl sie seinem Gewissen zuwider war. Er konnte sich nicht gestatten, einen einzigen der Faktoren zu vernachlässigen, die die Fertigstellung der Brücke begünstigten – dieser Brücke, die einen unbezähmbaren Geist verkörperte, der sich nie geschlagen gibt, der sich immer wieder zusammenreißt, um durch seine Handlungen die unverletzliche Würde seiner Haltung zu beweisen – dieser Brücke, der nur noch einige zehn Fuß Länge fehlten, um in einem kontinuierlichen Zuge das Tal des Kwai-Flusses zu überspannen.
Angesichts dieser Drohung verfluchte Clipton seinen Obersten, aber er fügte sich. Er entließ aus seinem Lazarett annähernd ein Viertel der Kranken, obwohl ihn jedesmal, wenn er eine Wahl zu treffen hatte, die gräßlichsten Gewissensbisse plagten. Auf
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