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Die Brücke am Kwai

Die Brücke am Kwai

Titel: Die Brücke am Kwai Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Boulle
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sich der Dschungel zusammenschließt, dann gehe ich mit Ihnen jede Wette ein, daß Sie nicht wissen, in welcher Richtung Sie treiben. Wir ließen uns doch mit der Strömung hinabtreiben, nicht wahr? Von uns aus gesehen war, abgesehen von den Wellen, das Wasser genauso strömungslos wie das eines Sees. Nur die Hindernisse, an die wir stießen, ließen uns erkennen, wohin wir trieben, und wie schnell das vor sich ging . Ein Relativitätsproblem . Ich weiß nicht, ob Sie sich das genau vorstellen können…«
    Es mußte ein nicht alltägliches Erlebnis gewesen sein. Er strengte sich an, es so getreu wie möglich darzustellen.
    Warden hörte ihm gespannt zu.
    »Ich verstehe, Shears. Und das Floß hat das ausgehalten?«
    »Das ist auch ein Wunder! Ich hörte es krachen, sooft ich zufällig meinen Kopf über dem Wasser hatte, aber es hat standgehalten . Abgesehen von einem Moment . Und da hat der Junge die Situation gerettet. Er ist erstklassig, Warden. Lassen Sie mich Ihnen erzählen… Gerade als dieser erste Strudel aufhörte und wir also anfingen, uns trotzdem ein wenig an die Dunkelheit zu gewöhnen, sind wir gegen einen riesengroßen Felsen geschleudert worden, der mitten aus dem Fluß hervorragte. Wir sind im wahrsten Sinne des Wortes von diesem Strudel in die Luft geschleudert worden, Warden, ehe wir abermals von einer anderen Strömung erfaßt und zur Seite gerissen wurden. Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Ich habe den Felsen gesehen, als er kaum ein paar Fuß von mir entfernt war. Zeit genug habe ich nicht mehr gehabt, ich habe nur noch daran gedacht, die Füße vorzustrecken und ein Stück von dem Bambus zu umklammern. Die beiden Thailänder haben losgelassen. Gottlob haben wir sie ein Stück weiter wieder aufgefunden. Welch ein Glückszufall! Und er, wissen Sie, was er gemacht hat? Er hat nur eine Viertelsekunde Zeit gehabt, um nachzudenken. Er hat sich mit gekreuzten Armen mit dem Bauch flach auf das Floß geworfen. Und wissen Sie warum, Warden? Um die beiden Floßteile zusammenzuhalten. Jawohl, es war nämlich ein Seil gerissen. Die Querstäbe rutschten fort, und die beiden Hälften fingen an, sich voneinander zu lösen. Der Schlag hatte sie voneinander getrennt. Eine wahre Katastrophe. Er hat das mit einem Blick gesehen. Er hat schnell gedacht. Er hat blitzartig gehandelt und die Kraft gehabt, durchzuhalten. Er war vor mir. Ich habe das U-Boot aus dem Wasser herausfliegen, einen Luftsprung machen sehen, so wie es diese Lachse machen, wenn sie die Stromschnellen hinaufsteigen. Ganz genauso war es. Und er lag oben drauf und hielt sich mit aller Kraft an den Bambusstäben fest. Er hat nicht einen Augenblick losgelassen. Danach haben wir die Querstreben, so gut es ging, wieder festgemacht ... Sie müssen immer daran denken, daß in dieser Lage seine Sprengkapseln in unmittelbarer Berührung mit der Sprengmasse waren und daß er eine großartige Leistung vollbringen mußte . Ich habe ihn über meinem Kopf gesehen, sage ich Ihnen. Blitzartig hat er reagiert . Das ist der einzige Augenblick, in dem ich daran gedacht habe, daß wir Sprengstoffe mit uns führten… Kein gewöhnlicher Bursche, Warden, davon bin ich überzeugt. Er muß es schaffen.«
    »Eine bemerkenswerte Mischung von Kaltblütigkeit und Reaktionsfähigkeit«, sagte Warden anerkennend.
    Mit leiser Stimme ergriff Shears wieder das Wort:
    »Es muß ihm glücken, Warden. Diese Sache ist seine persönliche Angelegenheit, und niemand kann ihn hindern, sie bis zum Ende durchzustehen. Es ist sein eigener Anschlag. Das weiß er. Sie und ich sind nicht mehr als seine Mithelfer.
    Wir haben unsere Stunde gehabt… Man muß jetzt nur noch daran denken, ihm seine Aufgabe zu erleichtern. Das Schicksal der Brücke liegt in guten Händen.«
     
    Nach der Stromschnelle war der Fluß ruhig geworden, und in dieser Zeit hatten sie das Floß wieder geflickt. Darauf waren sie noch einmal in einer Stromenge hin und her geschleudert worden. Vor einer Ansammlung von Felsen, die einen Teil des Flußlaufs sperrte, hatten sie Zeit verloren, denn dort bildete sich ein ungeheurer, träge mahlender Strudel, in dem sie sich mehrere Minuten lang im Kreise drehten, ohne die Strömung wieder erreichen zu können.
    Endlich waren sie aus dieser Falle wieder herausgekommen.
    Der Fluß hatte sich verbreitert und floß mit einem Male ruhig dahin, was ihnen den Eindruck vermittelte, als seien sie mit einem Male in einem ungeheuren, stillen See gelandet. Ihre Augen errieten die

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