Die Brücke am Kwai
werden. Der Zerstörungsplan sah das Anbringen von Sprengladungen an sechs aufeinanderfolgenden Pfeilern einer jeden Reihe vor, was eine Gesamtzahl von vierundzwanzig Ladungen ergab. Es sollten also sämtliche Stützpfeiler auf einer Länge von ungefähr zwanzig Metern gesprengt werden, was reichlich genügte, um das Auseinanderreißen und den Zusammenbruch unter dem Gewicht des Zuges zustande zu bringen. Shears hatte klugerweise zehn zusätzliche Ladungen im Hinblick auf eine mögliche Panne mitgenommen. Sie ließen sich gegebenenfalls am besten so verwenden, daß sie dem Feinde noch zusätzlichen Schaden zufügten. Auch er vergaß die Prinzipien der »Force 316« nicht.
Alle diese Gewichtsmengen waren nicht auf gut Glück gewählt. Sie waren nach Berechnungen und langen Erörterungen festgelegt worden und richteten sich nach den Messungen, die Joyce bei seiner ersten Erkundung, die als Ausgangspunkt diente, vorgenommen hatte. Eine Tabelle, die alle drei auswendig kannten, gab die Ladung an, die notwendig war, einen Pfeiler aus gegebenem Material, je nach seiner Form und seinen Ausmaßen glatt umzuhauen.
Im vorliegenden Fall hätten drei Kilo der Sprengmasse theoretisch genügt. Bei vier war der Sicherheitsfaktor groß genug für eine durchschnittliche Operation. »Number One« hatte schließlich bestimmt, daß die Dosis noch ein wenig verstärkt werden sollte.
Er hatte gute Gründe, so zu handeln. Ein zweites Prinzip der »Plastic & Destructions Co. Ltd.« bestand darin, die von den Technikern angegebenen Zahlen zu erhöhen.
Oberst Green, der den Lehrgang in Kalkutta leitete, hatte nach den theoretischen Lehrgängen die Angewohnheit, zu diesem Thema einige Worte zu sagen, die ihm der gesunde Menschenverstand und seine eigene Erfahrung in Kunstgriffen dieser Art diktierte.
»Wenn Sie die Gewichte mit Hilfe von Tabellen errechnet haben«, sagte er, »und das immer sehr reichlich, dann geben Sie noch etwas hinzu. Das bedeutet bei einer heiklen Operation, das können Sie mir glauben, eine absolute Sicherheit. Falls Sie auch nur den geringsten Zweifel haben, dann lohnt es sich eher, hundert Pfund mehr als ein Pfund weniger zu nehmen. Sie würden ein reichlich dummes Gesicht machen, wenn Sie, nachdem Sie vielleicht mehrere Nächte geschuftet haben, um Ihre Sprengvorrichtung anzubringen, nachdem Sie Ihr eigenes Leben und das Ihrer Leute riskiert, nachdem Sie unter tausenderlei Schwierigkeiten erfolgreich gearbeitet haben, Sie würden ein reichlich dummes Gesicht machen, wenn die Zerstörung nur unvollkommen durchgeführt wird, weil Sie ein wenig Material sparen wollten. Wenn die Pfeiler nur gespalten sind, aber ihre Stellung behalten, so erlaubt das eine schnelle Reparatur. Ich spreche zu Ihnen aus Erfahrung. Mir ist das einmal passiert, und ich kenne nichts im Leben, was einen so erbittern kann.«
Shears hatte sich geschworen, daß ihm eine derartige Katastrophe nie passieren sollte, und er verwandte dies Prinzip freigiebigst. Andererseits durfte man nicht in das gegenteilige Extrem verfallen und sich mit unnötig viel Material belasten, wenn man nur eine geringe Anzahl von Leuten zur Verfügung hatte.
Der Transport auf dem Fluß stellte theoretisch keine Schwierigkeiten dar. Unter ihren vielfältigen Eigenschaften besitzt die Sprengmasse auch die, daß sie annähernd das gleiche spezifische Gewicht wie das Wasser hat. Ein Schwimmer kann davon eine ziemlich große Menge mühelos transportieren.
Sie hatten das Ufer des Kwai-Flusses beim Morgengrauen erreicht. Die Träger waren entlassen worden. Verborgen in einem Dickicht, hatten die vier Männer die Nacht abgewartet.
»Die Zeit muß Ihnen doch lang geworden sein«, sagte Warden. »Haben Sie geschlafen?«
»Kaum. Wir haben es versucht, aber Sie wissen ja, wie das geht… wenn der entscheidende Moment näher kommt.
Joyce und ich haben den ganzen Nachmittag miteinander dummes Zeug geredet. Ich wollte seine Gedanken von der Brücke ablenken. Wir hatten ja noch die ganze Nacht vor uns, um daran zu denken.«
»Wovon haben Sie denn gesprochen?« fragte Warden, der gern alle Einzelheiten wissen wollte.
»Er hat mir ein wenig von seiner Vergangenheit erzählt. Im Grunde ist dieser Junge reichlich melancholisch. Es ist eine im großen und ganzen ziemlich banale Geschichte. Er ist technischer Zeichner in einer großen Firma. Keineswegs eine große Leuchte; er streicht sich nicht heraus.
Eben irgend so ein Büroangestellter. Ich hatte mir immer etwas Ähnliches
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