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Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Titel: Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hair
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erkannte. Mühsam kam er auf die Füße. Cym? Verdammt! Alaron war nur mit einem verdreckten Nachthemd bekleidet, sein Zimmer war von einer feinen Ascheschicht überzogen und stank wie ein Abtritt.
    »Alaron?« Cym hämmerte gegen die Tür.
    »Geh weg!«
    »Nein! Mach gefälligst auf, du Jammerlappen.«
    Alaron nahm den Pinkeleimer, schlurfte damit zum Fenster und klappte die Läden auf. Die verbrannte Handfläche tat immer noch weh. Stöhnend leerte er den Inhalt auf die Straße und ignorierte die herzhaften Flüche, die ihm von unten entgegengeschleudert wurden, als er die Fensterläden wieder zuschlug.
    »Alaron, du machst jetzt auf!«
    »Warte, ich … ähm, kannst du nicht so lange unten warten, bitte?«
    »Warum?«
    »Ich muss mich noch waschen!«
    »Ich geb dir zehn Minuten. Dann gehe ich, und du siehst mich nie wieder.«
    »Hel und Verdammnis«, fluchte Alaron, als er hörte, wie Cyms Schritte sich entfernten. »Geh nicht! Ich komm ja gleich runter, versprochen!« Die Stallknechte waren alle mit Vann zum Pelzmarkt nach Geidenei gefahren, also musste er sich das Wasser selbst vom Brunnen holen. Glücklicherweise war Cym nirgendwo zu sehen. Er kam sich vor wie ein kleines Kind, wie er so dastand, barfuß und zitternd im kalten Schnee und sich vorsichtig einen Eimer Wasser nach dem anderen über den Kopf kippte, bis er sich einigermaßen sauber fühlte. Wenigstens klärte die Kälte auch seine Gedanken. Cym ist hier … Aber sie war doch nach Süden gegangen, nach Hause. Er lief in die Küche, wickelte sich in einen Umhang und sah einen Topf mit kochendem Wasser auf der Feuerstelle.
    Cym saß auf einer Bank. Sie trug ihre üblichen bunten Gewänder, das unbändige schwarze Haar hatte sie unter einem grell gemusterten Tuch zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, und ihre goldenen Ohrringe schimmerten im Schein der Flammen. Beinahe wären Alaron die Tränen gekommen, so froh war er, sie wiederzusehen.
    »Du siehst furchtbar aus«, sagte sie unumwunden und deutete auf das Feuer. »Ich habe Wasser für dich heiß gemacht. Nimm die Seife und rasier dich.« Sie stand auf. »Ich werde draußen warten. Ich habe keine Lust, deinen unterernährten Körper zu sehen, nicht mal aus dem Augenwinkel.« Sie schaute ihm in die Augen. »Du bist wirklich ein Trottel, Alaron Merser.«
    Er riss sich den Umhang vom Leib und träufelte mit einer Tasse behutsam das heiße Wasser über die eiskalte Haut. Beim Rasieren zitterten seine Hände so stark, dass er sich mehrmals schnitt, doch sogar mit den Schnitten sah er noch besser aus als vorher. Dann lief er nach oben und warf sich die erstbesten sauberen Sachen über, die er finden konnte. Hoffentlich ist Cym noch da . Er fuhr sich mit den Fingern durchs nasse Haar und hastete nach unten.
    Cym wartete schon in der Küche. Sie musterte ihn von oben bis unten. »Jetzt darfst du näher kommen«, sagte sie wie eine Königin und hielt ihm die Hand hin. Zögerlich ging Alaron auf sie zu, da zog Cym plötzlich die Hand weg und verpasste ihm eine schallende Ohrfeige, so fest, dass er beinahe hingefallen wäre.
    »Was auf Urte hast du dir dabei gedacht, du Narr? Ramon hat mir alles erzählt! Einen kaiserlichen Beamten schlagen? Vor einem Saal voll rondelmarischer Magi über die Skytale des Corineus spekulieren? Hast du vollkommen den Verstand verloren?« Ihre Augen funkelten nur so.
    »Du hast Ramon getroffen?«, gab er leise zurück und rieb sich die Wange.
    »Als unsere Karawane durch Silacia kam, haben wir in seinem Dorf haltgemacht. Er sorgt sich sehr um einen gewissen Alaron Dummschädel, der seine Zukunft ruiniert hat. Und jetzt sehe ich, dass du auch noch beschlossen hast, dich zu Tode zu schmollen.«
    »Ich schmolle nicht, ich …« Alaron verstummte.
    »Ich hätte dir mehr zugetraut, Alaron. Nach sieben Jahren, in denen du dich jede Woche heimlich davongestohlen hast, um mir das Magushandwerk beizubringen und dabei jedes Mal riskiert hast, von der Schule geworfen zu werden, dachte ich, du hättest mehr Mumm.«
    »Du verstehst das nicht …«
    Cym verschränkte die Arme vor der Brust. »Ach ja?«
    Alaron lehnte sich gegen den Herd und verschränkte ebenfalls die Arme. Er kam sich so schwach vor unter ihrem sengenden Blick. »Wenn sie dich durchfallen lassen, dann war’s das. Für immer. Du darfst kein Amulett benutzen, und wenn sie dich mit einem erwischen, stecken sie dich in den Kerker – oder Schlimmeres. In der Öffentlichkeit giltst du als ein Zurückgewiesener, ein schutzloses

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