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Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Titel: Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hair
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sie einfach auf ihren Kamelen davon. Überall war Sand, nichts als Sand: in jeder Falte, im Mund, in der Nase, in den Ohren und in den Haaren. Kazim hatte das Gefühl, er würde sogar Sand kacken, so wund war seine Pofalte. Und die Aasfresser kreisten jetzt direkt über ihren Köpfen.
    Die Männer wurden schnell schwächer. Am ersten Tag wurde für die, die einfach umkippten, noch Platz auf den Wagen gemacht, am zweiten ließ man sie einfach liegen. Kazim hasste jeden, der einfach so aufgab, und er hasste die unerreichbaren und feigen Späher. Aber am meisten hasste er die Soldaten, die sich einen Dreck um die freiwilligen Kämpfer kümmerten. Mit offenen Augen träumte er davon, wie die Pfeile der Ingashiri Jamil und sein arrogantes Pack aus dem Sattel holten. Aber die Wüstenbanditen blieben stets auf Distanz, und nach zwei Wochen waren sie ganz verschwunden – was die Moral sofort hob. Ohne die zermürbende Beobachtung marschierte es sich gleich leichter, und die Männer schwangen die wildesten Reden, was sie mit den Banditen gemacht hätten, hätten sie sich auch nur ein winziges Stück näher herangewagt.
    Haroun nahm Kazim beiseite. »Sie sind immer noch da, auch wenn wir sie nicht sehen können. Sei auf der Hut, Bruder.« Dann drückte er Kazim etwas Hartes, Kaltes in die Hand. Es war ein Krummdolch. »Ein Soldat hat ihn mir gegeben. Ich kann mir keinen würdigeren Träger dafür vorstellen als dich, mein Freund, der du das Herz eines Löwen hast.«
    Kazim nahm Haroun kurz in die Arme. »Danke, Bruder. Ich danke dir von ganzem Herzen.« Doch seine Augen suchten Jamil, nicht die Ingashiri.
    Drei Tage später griffen sie an. Es war der siebzehnte Tag der Wüstendurchquerung, der Punkt, an dem ein Umkehren unmöglich war und die nächste Oase noch weit, weit vor ihnen lag. Sie kamen im Morgengrauen, als die Soldaten gerade ihre Zelte für eine Rast aufschlugen. Die Wachposten waren müde, ihre Augen stumpf, die Männer erschöpft, durstig und hungrig. Sie griffen genau aus der aufgehenden Sonne an, wo sie schwer zu sehen waren und ein Bogenschütze unweigerlich geblendet wurde. Ihre Taktik war makellos wie aus einem Lehrbuch der Armee.
    Eine Stunde vor dem Angriff hatte Kazim sich mit ein paar anderen aus der Marschordnung gelöst. Sie trotteten hinter einem der Proviantwagen her, um sich bei der nächstbesten Gelegenheit die Taschen vollzustopfen. Die Gesichter der Männer neben ihm waren mutlos vor Erschöpfung. Im Norden hatte sich ein trockener Wind erhoben und blies ihnen ständig Sand ins Gesicht, weshalb sie sich Tücher um den Kopf wickelten, was ihre Sicht noch weiter behinderte. Im Osten wurde der Himmel allmählich heller, und im Westen versank der Mond gerade hinterm Horizont, als die Soldaten Befehl zum Haltmachen gaben. Sofort drängte Kazim sich nach vorn zum Wagen. Niemand stellte sich ihm in den Weg, denn alle fürchteten Kazims wilde Entschlossenheit.
    Ein Junge aus Kankritipur mit glänzenden Augen deutete auf die aufgehende Sonne. »Was ist das?«, fragte er.
    »Was ist was?«, fragte jemand zurück, als der erste Strahl roten Sonnenlichts über den Sand gekrochen kam und alle schützend die Hände vor die Augen hoben.
    »Ich glaube, da hat sich was bewegt«, erwiderte der Junge. »Seht ihr?«
    Kazim kniff die Augen zusammen: Ein Vogelschwarm hatte sich in die Luft erhoben wie eine große schwarze Wolke. Er flog auf, beschrieb einen Bogen und hielt dann direkt auf sie zu. Kazim blinzelte. Das sind keine Vögel, das sind Pfeile!
    »Vorsicht!«, schrie eine Stimme, aber alle standen da wie gelähmt und starrten mit weit aufgerissenen Augen auf die gefiederte Wolke, die immer größer wurde.
    Kazim ging in Deckung. Als Einziger.
    Ein Pfeil bohrte sich dem Jungen in die Brust, kam zwischen den Schulterblättern wieder heraus und nagelte ihn auf dem Wüstenboden fest, während Arme und Beine noch zuckten. Überall gingen die Männer zu Boden, Pfeile ragten aus Hälsen, Bäuchen und Gliedmaßen, bohrten sich in Augen und Schädel. Direkt vor Kazim brachen drei zusammen. Einer stumm, einen Pfeil direkt im Herzen, die anderen beiden schrien, hielten verzweifelt den Pfeilschaft umklammert. Einen Moment lang herrschte Ruhe, dann kam die zweite Salve angeflogen, und der Boden erzitterte unter dem Trommeln heranpreschender Hufe. Alles rannte wild durcheinander, die Soldaten mit Bogen in westlicher Richtung oder um irgendwo Deckung zu suchen. Kazim hielt auf den nächsten Wagen zu, stopfte sich kleine

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