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Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Titel: Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hair
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mit einem Pfeifchen im Mund am Dorfbrunnen saß.
    Er betrachtete die Kämpfer, die wie Verletzte nach einer Schlacht überall herumlagen, um sich auszuruhen, und bot Kazim etwas Ganja an. »Bis ihr dort seid, wirst du genauso schwach sein wie deine Kameraden hier«, bemerkte er trocken.
    »Wir werden für dich gegen die Ferang kämpfen, alter Mann«, gab Kazim gereizt zurück.
    »Da wünsche ich dir viel Glück, Junge. Ich glaube kaum, dass sie schon aus Angst vor euch zittern.«
    Kazim ließ den Blick über die erbärmlich anzuschauende »Armee« schweifen und suchte nach einer geeigneten Erwiderung. Schließlich gab er es auf. Wahrscheinlich hat der Tattergreis auch noch recht.
    Mühsam schleppte sich die Kolonne dahin. Sie schafften kaum mehr als ein paar Meilen am Tag. Die Städte Kankritipur und Latakwar umgingen sie in weitem Bogen und lagerten am Sabanati, wo sie sich endlich waschen und so viel trinken konnten, wie sie wollten – was für nicht wenige neuerlichen grässlichen Durchfall bedeutete, und manche endeten als Krokodilfutter.
    Kazim gelang es immer öfter, Essen aus dem Proviantwagen von Jamils Trupp zu stehlen, weshalb er und seine beiden Freunde in etwas besserer Verfassung waren als die meisten anderen, als sie den Rand der östlichen Keshwüste erreichten. Sie belauschten Jamil, wie er seine Soldaten auf die Wüste vorbereitete, und hörten, dass die schlimmste Gefahr während der Durchquerung nicht die Banditen waren, sondern die Hitze. Ihre Harnische würden in der Sonne so heiß werden, dass man Eier darauf braten konnte. Wasser gab es keines.
    Haroun schätzte, dass sie insgesamt über etwa eintausend Feldflaschen verfügten, und das für dreitausend Kämpfer, die diese verfluchte Wüste durchqueren sollten. Also trafen sie entsprechende Vorbereitungen: Nach Einbruch der Dunkelheit nahm Kazim einem schwächlich wirkenden Mitkämpfer seine Wasserflasche ab, und Jai tat dasselbe. Haroun bekam eine von einem sterbenden Greis geschenkt, nachdem er versprochen hatte, für ihn zu beten. Nur zu essen gab es immer noch nicht genug, und ihre Waffen würden sie erst in Kesh bekommen, hatten die Soldaten gesagt. Schlau von euch , dachte Kazim, denn wenn wir sie jetzt schon hätten, wärt ihr jetzt alle schon tot. Nicht einmal Zelte gab es für die freiwilligen Kämpfer. Wir können von Glück sagen, wenn wir es überhaupt bis Hebusal schaffen.
    Verdrossen starrte Kazim hinaus in die Wüste, sah die Krähen, Geier und Habichte hoch in der Luft kreisen. Seit Tagen hatten sie nichts anderes gegessen als Eidechsen und kleine Schlangen. Wenn sie nicht bald aufbrachen, würden sie die Rationen angehen müssen, die für die Wüstendurchquerung vorgesehen waren. Und trotzdem saßen sie hier tatenlos herum. Aus einem einfachen Grund: In nordwestlicher Richtung beobachtete von einem hohen Felsen aus ein kamelberittener Späher der Ingashiri ihr Lager. Der Gedanke, direkt unter den neugierigen Blicken dieser Banditen aufzubrechen, machte die Soldaten des Moguls nervös.
    »Ich glaube nicht, dass wir eine Wahl haben«, meinte Kazim. »Die Ingashiri werden uns so oder so finden. Wenn die Soldaten uns wenigstens Speere geben würden!«
    »Gottes Wille geschehe«, erwiderte Haroun nur. Wie immer.
    Das religiöse Getue ging Kazim allmählich auf die Nerven, aber im Moment gab es tatsächlich nicht mehr über ihre Situation zu sagen. Er blickte hinüber zu Jai, der während der letzten zwei Wochen auffällig still geworden war. Kazim hatte einen Verdacht: Jai war ein hübscher Junge, und irgendwie schaffte er es immer, genügend Wasser für alle zu beschaffen. Wasser bedeutete Überleben, und Kazim hatte Gerüchte über einige der Hauptleute gehört, anzügliche Gerüchte … So weit hätte es nie mit uns kommen dürfen.
    In der nächsten Nacht brachen sie im Schutz der Dunkelheit auf. Es wurde das reinste Fiasko. Ohne Licht oder wenigstens Fackelschein blieb die Hälfte der Ausrüstung einfach liegen. Keinem der Trupps gelang es, sich in die vorgesehene Marschordnung einzureihen, und die Spur menschlicher wie tierischer Ausscheidungen, die sie hinterließen, war so überdeutlich, dass selbst ein Blinder ihr hätte folgen können. Ganz zu schweigen von den Spähern der Ingashiri.
    »Vielleicht macht unser Dünger ja die Wüste fruchtbar«, witzelte Haroun unverdrossen.
    Bis Anbruch der Dämmerung hatten sie mindest ein Dutzend Späher gezählt. Jedes Mal, wenn die Soldaten Anstalten machten, sie anzugreifen, trabten

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