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Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Titel: Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hair
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sie den Raum und machte sich auf den Weg ins Badezimmer. Sie brauchte heißes Wasser.
    Eine halbe Stunde später, gewaschen und mit einem frischen Kittel bekleidet, den die Jhafi Salwar nannten, begleitete sie die Kinder der königlichen Nesti-Familie zur Sollan-Kapelle. Die mit Reliefs verzierten Sandsteinwände waren vom Rauch der Fackeln geschwärzt, und die beiden Kupfermasken über dem Altar – Sonne über Mond – konnten ebenfalls eine gründliche Reinigung vertragen. Der alte Druipriester goss den Opfertrank ein und beschwor mit seinem rituellen Gesang den neuen Tag. Alles fühlte sich irgendwie schal und leer an. Der Sollan-Glaube der Rimonier mochte der älteste in Yuros sein und einstmals die Hauptreligion auf dem westlichen Kontinent, aber hier im Osten war er wie ein einsamer Setzling in der Wüste, ohne Hoffnung, je zu gedeihen.
    Es waren nur zwölf Menschen in der Kapelle. In der vordersten Reihe sah sie König Olfuss, seine Haut hob sich dunkel gegen die weißen Locken und den Bart ab, das freundliche Gesicht war ernst. Es war seine Pflicht, Javons beide Religionen zu praktizieren, den Sollan-Glauben der Rimonier und den Amteh-Kult der Jhafi, was bedeutete, dass er viel Zeit auf den Knien verbrachte. Neben ihm kniete seine Frau Fadah, in einen Bekira gehüllt. Der Sollan-Glaube bedeutete ihr nichts, ihre Anwesenheit war reine Pflichterfüllung. Hinter ihnen sah Elena die Kinder, dick eingepackt wegen der morgendlichen Kälte. Der junge Timori, er war der Thronerbe und erst sieben Jahre alt, zappelte vor Langeweile herum. Ab und zu drehte er den Kopf nach hinten und winkte Elena zu, bis Solinde es bemerkte und ihn zurechtwies. Solinde war die mittlere der drei Geschwister und dennoch die größte, mit rotbraunem Haar und langen, grazilen Armen und Beinen. Sie galt als die Familienschönheit, aber Elena gefiel Ceras dunkles, exotisches Gesicht besser. Cera war die älteste Tochter, pflichtbewusst und tief ins Gebet versunken.
    Elenas Kollegen Rutt Sordell und Samir Taguine standen gelangweilt an der Tür. Sie waren Anhänger Kores. Es kümmerte sie nicht, wenn sie die religiösen Gefühle anderer verletzten, indem sie ihr Desinteresse so offensichtlich zur Schau trugen. Elena mochte die beiden nicht, und sie war froh, dass sie etwas abseits von ihr standen. Es waren auch noch drei Wachen da, zwei junge Männer am Eingang und der Hauptmann, der leise betend neben Elena kniete. Lorenzo di Kestria hatte dichte schwarze Locken und ein Gesicht, das man mit etwas gutem Willen als hübsch bezeichnen konnte. Er war ein jüngerer Sohn aus einer verbündeten Familie, der vor ein paar Monaten zu ihnen gestoßen war. Olfuss hatte ihn in die Garde seiner Ritter aufgenommen. Seine veilchenblaue Tunika sah mitgenommen aus, aber sie war sauber, und Lorenzo roch stets nach Nelken und Zimt. Als er Elenas Blick auffing, lächelte er.
    Elena schaute weg. Sie mochte Lorenzo, aber sie wollte – oder besser gesagt: konnte – sich keine emotionalen Verwicklungen leisten. Schon gleich gar nicht jetzt. Trag dein Amulett …
    »Vater Sol, wir beten zu dir«, sprach Drui Prato. »Schwester Lune, wir beten zu dir. Segnet uns während der kommenden Festtage. Schützt uns während der Winternächte, bewahrt die Saat für den Frühling. Segnet unsere Wege, wir beten zu euch.«
    Elena war beinahe genauso unruhig wie Timori. Die leisen Worte des Drui, wie er die Jahreszeiten beschwor, all das spendete ihr keinen Trost. Hier, wo die Jahreszeiten vollkommen anders verliefen, war sein Gebet fehl am Platz. Um Schutz für den Winter zu bitten, während hier in Javon gerade Anbausaison war, kam ihr schlichtweg absurd vor. Trotzdem würde sie es vermissen. In Yuros betete niemand mehr zu Sol und Lune. Dort gab es nur noch Kore, jeder andere Glaube war Ketzerei, eine potenzielle Bedrohung.
    Das Ritual endete damit, dass der Drui den Gläubigen einen Schluck Wein gab und ihnen mit dem Daumen einen kleinen Kreis aus Asche und Wasser auf die Stirn malte. Danach kamen alle vor der Kapelle zusammen, und Lorenzo wartete schon gespannt auf Elena. Aber sie wusste, wie man einem Mann die kalte Schulter zeigt, ohne ihn vor den Kopf zu stoßen. Cera stellte sich neben sie und küsste sie auf die Wange.
    »Buonsammana, Ella.« Das Licht der Fackeln spiegelte sich in Ceras tiefbraunen Augen. »Deine Haare sind ja ganz nass. Hast du etwa deine Übungen gemacht und dich gebadet? Weißt du nicht, dass heute Feiertag ist?«
    »Ich mache jeden Tag meine

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