Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
Übungen, Cera. Du siehst reizend aus heute Morgen. Und du auch, Solinde«, fügte sie, an die jüngere Schwester gewandt, hinzu, die Lorenzo verschmitzt anlächelte. Sie lernte schnell, zu schnell für ihr Alter.
»Morgen wird getanzt, viel getanzt«, sagte Solinde begeistert und behielt den jungen Ritter dabei genau im Auge.
Lorenzo lächelte zurück, doch sein Blick wanderte schnell wieder zu Elena. »Tanzt Ihr, meine Dame?«
Elena zog die Augenbrauen hoch. »Nein.«
»Ich werde mit allen Rittern tanzen«, verkündete Solinde lauthals. Dass Lorenzo Interesse für eine andere bekundete, kränkte sie offensichtlich.
»Auch mit den klumpfüßigen Hässlichen?«, fragte Cera frech.
»Nein, du dummes Ding, nur mit den hübschen«, erwiderte Solinde. »Mit Fernando Tolidi zum Beispiel.«
»Igitt«, meinte Cera. »Mit dem kannst du nicht tanzen, er ist ein Gorgio.«
»Na und? Mir gefällt er. Und Vater sagt, es sei an der Zeit, die Gorgios wieder im Schoß des Königshauses willkommen zu heißen.«
»Der Schoß des Königshauses ist aber nicht derselbe wie deiner«, feixte Cera. »Außerdem finde ich, er hat ein Gesicht wie ein Pferd.«
Timori schob sich zwischen den beiden Mädchen hindurch und schlang die Arme um Elenas Bein. Mühelos hob sie ihn auf die Schultern, und ihr fiel auf, wie Rutt Samir abfällig etwas zuflüsterte, während die beiden sich durch den schummrig beleuchteten Gang entfernten. Sordell war der einzige Vollblutmagus und offiziell der Anführer ihrer Gruppe, doch Samir, ein Dreiviertelblut, war wegen seiner Affinität zur Feuergnosis im Kampf der Stärkere. Ich wüsste zu gern, was für eine Nachricht sie von Gurvon erhalten haben.
»Dona Elena?«, rief König Olfuss. »Hättet Ihr einen Moment Zeit?«
»Zu Euren Diensten, Majestät«, antwortete Elena und gab Timori an Lorenzo weiter.
»Haltet meinen Gatten nicht zu lange auf, Ella«, mahnte Königin Fadah liebevoll. »Das Frühstück wartet, und wir haben heute viele Gäste.«
Wie in einem heiteren Ballett folgten die Nesti den beiden Magi den Gang entlang. Elena blickte ihnen lächelnd hinterher, da legte Olfuss ihr eine Hand auf die Schulter und zog sie mit sich in die Kapelle. Der Drui hatte sich mit dem Rest des Opferweins ins Priesterkämmerlein verzogen, sie war also allein mit dem König. Er führte sie zu einer Bank an der Rückseite der Kapelle und setzte sich neben sie. »Es ist gut, Euch lächeln zu sehen, Dona Elena«, sagte er in rollendem Rimonisch. »Ihr wart so hart, als Ihr hier ankamt. Vielleicht sind Sonne und Hitze ja ganz nach Eurem Geschmack?«
»Vielleicht, Majestät.«
»›Mein Herr‹ genügt vollauf, wenn wir unter vier Augen sind, Dona Elena«, beschwichtigte Olfuss, was normalerweise bedeutete, dass er etwas von ihr wollte. »Wusstet Ihr, dass wir Wetten abgeschlossen haben, wer Euch als Erstes ein Lächeln entlocken würde? Solinde hat natürlich gewonnen mit ihrer kleinen komödiantischen Einlage. Erinnert Ihr Euch noch? ›Wie bringt man einen Rimonier zum Schweigen? Man fesselt ihm die Hände.‹ Ihr musstet grinsen, dann habt Ihr sogar laut gelacht, und Solinde hat vor Freude ein kleines Tänzchen aufgeführt.«
Elena erinnerte sich. Es hatte beinahe wehgetan, ihre versteinerten Lachmuskeln wieder zu benutzen. Und sie hatte einen Stich gespürt, als hätte sie ihre kalten Hände beim Aufwärmen zu nah ans Feuer gehalten. Einen Stich im Herzen. »Ich hoffe, sie hat etwas Schönes gewonnen.«
»Eine Rubinkette aus Kesh. Hat sie es Euch nicht erzählt?«
»Nein, Majestät. Ich wusste gar nicht, dass meine Stimmung von so großem Interesse ist.« Waren es wirklich vier ganze Jahre? Aber vier gute Jahre … Die davor waren grässlich. Ich war gefangen zwischen Gurvon und Vedya. Es war eine solche Erleichterung, aus Yuros herauszukommen.
Olfuss blickte zum Altar. »Es war ein gewagter Schritt, drei Magi bei uns aufzunehmen, aber als die Gorgio einen Magus der Dorobonen anheuerten, um für sie zu spionieren, blieb uns gar nichts anderes übrig. Andernfalls wären sie über alles unterrichtet worden, was ich tue. Dennoch sind Magi hier nicht gern gesehen.«
Was noch ziemlich untertrieben ist. Es ist ein hartes Rennen, wer uns mehr hasst: die Rimonier, deren Reich wir zerstört haben, oder die Keshi, die wir überfallen und versklavt haben.
»Meine Kinder lieben Euch, Ella. Es ist, als würdet Ihr zur Familie gehören. Aber ich frage mich, ob Ihr hier glücklich seid. Und ob Ihr die Kinder ebenso
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