Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)
liebt.« Sein Blick war jetzt ganz ernst, und er schaute ihr direkt in die Augen.
Ihre Kehle schnürte sich zu, und sie nickte knapp. »Natürlich tue ich das, mein Herr.« Deshalb wird es auch so wehtun, hier zu verschwinden.
Olfuss lächelte. »Meine gute Ella.« Er strich ihr über die Wange, und die Falten in seinem alten Gesicht verzogen sich zu einem Grinsen. »Vielleicht finden wir ja sogar noch einen Mann für Euch. Ihr werdet bei uns leben, und ich kann aufhören, Magister Gyle dieses exorbitante Honorar zu bezahlen.«
»Redet der Kanzler Euch wieder ins Gewissen, strikter zu sparen, Olfuss?«
Der König lachte und blickte ihr weiter fest in die Augen. »Ella, ich bezahle jeden Monat eine Menge Geld für Eure Dienste und für Sordells und Taguines. Das Geld für Euch ist gut angelegt, aber diese anderen beiden … Ich mag sie nicht. Deshalb würde ich Euch gerne in meine Dienste nehmen und die anderen beiden entlassen. Ich würde Euer Gehalt verdoppeln, und wir würden beide profitieren. Was meint Ihr?«
Elena war starr vor Erstaunen. Ein Teil von ihr jubilierte: frei sein, hierbleiben können, war das nicht genau das, was sie wollte? Und auf Gurvon pfeifen! Aber was war mit Tesla? Ihr Mann tat, was er konnte, aber das Schulgeld für Elenas Neffen war immens. In Norostein wartete ein ganzer Schatz auf sie, aber wenn sie Gurvon den Dienst aufkündigte, würde sie nicht eine Krone davon zu Gesicht bekommen, so viel war sicher. In Friedenszeiten mochte es ja einfach sein, die Nesti zu beschützen, aber die Mondflut stand kurz bevor …
Da fiel ihr auf, dass sie noch gar nicht geantwortet hatte, nicht einmal mit einer kleinen Geste. Sie saß da, als sei sie zu Eis erstarrt. Entschuldigend blickte sie König Olfuss an. »Mein Herr, ich fühle mich sehr geehrt. Euer Angebot ist schmeichelhaft, aber ich weiß nicht, wie Gurvon darauf reagieren würde …« Sie runzelte die Stirn. »Er verwaltet meine Ersparnisse, und die belaufen sich auf mehr, als Ihr Euch leisten könnt.«
Seine Augen verengten sich, als er über ihre Worte nachdachte, dann streckte er die Hand aus und tätschelte ihr Knie. »Dona Elena, es gibt Wichtigeres im Leben als Gold. Wir schätzen Euch. Ihr seid eine von uns. Eine Nesti.« Er grinste. »Oder auch eine Kestria, wenn Ihr den jungen Lorenzo endlich erhören würdet.«
Sie ergriff die Gelegenheit, das Thema zu wechseln. »Der arme Lorenzo! Er ist nett, aber ich bin hier, weil ich eine Aufgabe zu erfüllen habe, mein Herr. Ich fühle mich nicht in Versuchung.«
»Ganz die Geschäftsfrau wie immer«, erwiderte Olfuss ein wenig traurig. »Welche Art Mann würde Euch denn in Versuchung führen, Ella? Ein König vielleicht?«, fügte er mit einem schlitzohrigen Lächeln hinzu.
»Fadah macht einen Kastraten aus Euch, wenn Ihr mir auch nur einen falschen Blick zuwerft!«, antwortete Elena lachend. Sie wusste, er scherzte nur, aber sie freute sich über das Vertrauen, das er ihr entgegenbrachte.
Für einen Moment lächelte er wie ein junger Spitzbub, aber er rief sich schnell wieder zur Ordnung. »Ella, letzte Nacht erhielten wir die Nachricht, dass Fadahs Schwester Homeirah im Sterben liegt. Die Geschwüre in ihrem Bauch werden sie töten, und Fadah muss nach Forensa reisen, um sie noch einmal zu besuchen. Cera und Timori werden sie begleiten. Solinde möchte unbedingt hierbleiben wegen des Balls. Wer könnte es ihr verdenken, wo sie doch so gerne tanzt? Ihr müsst die Kinder nach Forensa bringen, Taguine wird ebenfalls mitkommen, um Fadah zu beschützen. Ihr werdet dortbleiben bis, nun ja, bis nach Homeirahs Beerdigung, wie es aussieht. Ich selbst kann nicht mitkommen. Salims Sondergesandter ist bereits in Javon, und ich muss ihn persönlich empfangen.«
Elena nickte, ihre Gedanken rasten. Was wird Olfuss dem Gesandten sagen? Bestimmt wird er sich auf Salims Seite stellen. Ist das der Grund, warum Gurvon sich zurückzieht? Tut er es nicht, stehen wir auf der falschen Seite der Fehde. Was ein weiterer Grund ist, warum ich Olfuss’ Angebot nicht annehmen kann …
»Ich bin sicher, wir werden eine Lösung finden«, sagte Olfuss, als hätte er ihre Gedanken gelesen. »Wir Javonier haben gelernt, dass der Kompromiss die größte Kunst von allen ist. Ich werde mit Magister Gyle sprechen, und wir werden einen Weg finden, von dem wir beide profitieren.« Olfuss erhob sich und legte ihr eine Hand auf die Schulter. »Habt in Forensa ein wachsames Auge auf meine Kinder, Dona Elena.«
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