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Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition)

Titel: Die Brücke der Gezeiten 1: Ein Sturm zieht auf (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Hair
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waren angespannt und anstrengend gewesen. Jeder hatte mitbekommen, wie die Kluft zwischen den beiden Magi immer tiefer wurde. Elena spürte förmlich die Angst der anderen, dass ein offener Kampf zwischen ihr und Samir ausbrechen könnte – ein Kampf, den keiner in der Karawane überleben würde. Selbst Fadah hatte es bemerkt. Ängstlich hatte sie gefragt, ob Elena und Samir sich gestritten hätten. Elena hatte ihr versichert, es handele sich nur um eine politische Meinungsverschiedenheit, und sich verzweifelt gewünscht, es wäre tatsächlich so.
    Die Landschaft hatte sich verändert, anstelle des zähen Wüstengestrüpps waren große, verwitterte Felsbrocken getreten. Der Sand war jetzt so weich, dass die Pferde ab und zu strauchelten. Die Nächte wurden kälter, die Tage heißer. Schon das kleinste Lüftchen wäre eine willkommene Erleichterung gewesen, aber wenn so weit im Landesinnern der Wind wehte, dann nur in Form eines heftigen Sandsturms, und da wollten sie definitiv nicht hineingeraten.
    Elena sah Lorenzo an. Der Ritter war eine gute Reisebegleitung gewesen. Er war selbstbewusst und weit herumgekommen, bevor er nach Brochena gekommen war. Das machte ihn zu einem interessanten Gesprächspartner. Ich werde die Menschen hier vermissen, wenn ich weg bin .
    »Wartet hier.« Elena ritt im Trab auf die festlich mit Bändern und Glöckchen geschmückten Kamele zu, die sie stoisch ignorierten.
    Der Reiter an der Spitze hob zum Gruß die Hand und nahm den Turban vom Kopf. Zum Vorschein kam das feierliche glatzköpfige Gesicht Harshal al-Assams. Er war der Bruder des Emirs von Forensa. Mit einem breiten Lächeln ließ er seine weißen Zähne aufblitzten. »Dona Elena! Ich danke Ahm, dass Ihr es wohlbehalten geschafft habt.«
    »Ich ebenso, Harshal.« Sie blickte zurück. »Aber wir sind noch nicht am Ziel.«
    Harshal blinzelte wie eine Eidechse in der Sonne. »Gibt es ein Problem, Dona Ella?«
    »Nein. Macht Euch keine Sorgen. Wir sind alle nur ein bisschen angespannt, das ist alles. Es ist schön, Euch zu sehen.«
    Harshal al-Assam war einer der Bewerber um Solindes Hand, wenn sie erst erwachsen war. Aber die Prinzessin war nicht sonderlich begeistert von ihm – Harshal war Ende zwanzig, ein alter Knacker in ihren Augen. Aber er war anständig, und Elena fand, er würde einen guten Ehemann für ein so eigensinniges Mädchen abgeben. »Was für Neuigkeiten gibt es, Harsh? Wie geht es Fadahs Schwester?«
    »Nicht gut. Ahms Wille geschehe.« Er seufzte. »Waren die Botschafter aus Kesh bereits da, als Ihr Brochena verlassen habt?«
    Elena schüttelte den Kopf. Sie warf einen kurzen Blick über die Schulter, dann sagte sie leise: »Samir ist beunruhigt wegen der Gesandten. Er ist Rondelmarer und steht König Olfuss’ Entschluss weit weniger neutral gegenüber als eine Norerin wie ich.« Eine einfache und plausible Antwort. Gurvon wäre zufrieden mit mir. Sie biss sich auf die Lippe. Ich muss aufhören, alles, was ich tue, nach seinen Maßstäben zu bewerten.
    Harshal nickte stumm. »Wir werden wachsam sein. Keine Sorge.«
    Sie kamen gut voran, obwohl Cera darauf bestand, auf einem Kamel zu reiten, und Timori, als er das sah, natürlich auch. Elena blieb hinter Cera, gemeinsam sangen sie javonische Volkslieder von Prinzen und Liebesabenteuern und Oasen im Sternenlicht. Dann und wann fiel sogar Lorenzo mit seinem Tenor mit ein. Elena kam sich beinahe vor, als wären sie Wandermusikanten auf dem Weg zu ihrem nächsten Engagement.
    Nur Samir teilte die gute Stimmung nicht. Stumm und abschätzig beobachtete er alles wie ein Geier, der darauf wartet, dass ein verwundetes Tier endlich verendet, damit er es fressen kann. Er provozierte Elena jedes Mal, wenn sie in Hörweite kam, also machte sie schließlich einen weiten Bogen um ihn.
    Drei Tage nachdem sie auf Harshal und seine Männer getroffen waren, kamen sie kurz nach der Mittagszeit von Westen her nach Forensa. Wie eine glühende Kugel hing die Sonne hoch am Himmel, einsam und weit weg. Die Kamele spürten, dass sie ganz in der Nähe der Ställe waren. Es wurde schwierig, sie im Zaum zu halten, und auch die Pferde wurden unruhig. In leicht verschärftem Tempo ritten sie durch den Gestank, der über den endlosen Müllhaufen am Rand der Stadt hing, vorbei an verarmten Jhafi, die sie unverhohlen anstarrten. Verwahrloste Kinder rannten neben der Karawane her, bettelten um Geld oder etwas zu essen, während sie sich der alten gelben Stadtmauer näherten. Um jeden Wagen und

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