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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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zum Spaß. Der
Feldmarschall merkte, daß ich diese Praxis deprimierend fand.
»Ore«, pflegte er zu sagen (so sprach er meinen Namen aus),
»Ore, gefallen dir unsere Spielchen nicht?« Dann
lächelte und heuchelte ich.
     
    Die Tage wurden heller, untätige Vulkane wichen niedrigen
Hügeln und Savannen. Seines kochenden Schlammes beraubt, erfand
der Feldmarschall einen neuen Sport. Er band einem Mann einen kurzen
Strick um den Hals und ließ ihn vor dem Zug herlaufen. Der
Feldmarschall spielte persönlich den Lokomotivführer und
jagte seine Beute. Die Opfer hielten für gewöhnlich etwa
eine halbe Meile aus, bevor sie über die Schwellen stolperten
und fielen oder versuchten, zur Seite zu springen, in welchem Fall
der Feldmarschall nur kichernd das Ventil öffnete und sie neben
dem Gleis herschleifte.
    An dem letzten Tümpel mit kochendem Schlamm hatte er dem
Opfer einen Strick um den Hals binden und es, sobald es gekocht und
mit einer Schicht gebackenen Schlammes bedeckt war, herausziehen
lassen. Er befahl seinen Männern, noch mehr Schlamm über
die verrenkte Gestalt zu schaufeln. Als sie getrocknet war,
ließ er die so entstandene verkrümmte Statue auf dem
Aschenstrand eines salzigen, stinkenden Binnenmeeres aufstellen.
     
    Wir fuhren über den Boden eines ausgetrockneten Meeres in
Richtung einer Stadt, die auf einem großen runden Felsen erbaut
war. Da erschienen die Bomber. Der Zug erhöhte die
Geschwindigkeit und hielt auf einen Tunnel zu, der unter der
Ruinenstadt hindurchführte. Die wenigen
Flugzeugabwehrgeschütze des Zuges wurden bemannt.
    Drei mittelgroße Bomber flogen, keine hundert Fuß
über den Gleisen, genau auf uns zu. Sie fingen an, ihre Bomben
abzuwerfen – das letzte Flugzeug zuerst –, als sie noch
eine Viertelmeile entfernt waren. Ich sah es von dem herausragenden
Plexiglas-Dach im Beobachtungswagen des Feldmarschalls aus, wo ich
eben eine Flasche Eiswein geöffnet hatte. Der Lokführer
bremste, daß wir nach vorn geschleudert wurden. Der
Feldmarschall drängte sich an mir vorbei, trat einen Notausgang
auf und hechtete hindurch. Ich folgte ihm, und als ich auf dem
staubigen Bahndamm auftraf, stampften die Bomben wie die Stiefel
eines Soldaten über die Wagen. Der Damm sprang wie ein
Trampolin, Steine und Zugfragmente regneten vom Himmel. Ich
krümmte mich zusammen und steckte die Finger in die Ohren.
     
    Wir sind jetzt in der verlassenen Stadt, der Feldmarschall, ich
und noch zehn Männer. Das sind alle, die überlebt haben.
Wir haben ein paar Waffen und ein einziges Schwein. Die Ruinenstadt
ist voll von widerhallenden, mit Fahnen behangenen Sälen und
hohen Steintürmen. Wir kampieren in einer Bibliothek, weil sie
der einzige Ort ist, an dem man noch etwas Brennbares finden kann.
Die Stadt ist aus Stein gebaut und aus einem dunklen, schweren Holz,
das sich weigert, mehr zu tun, als trübrot zu glimmen, sogar
wenn wir es mit Pulver anzünden, das wir aus den Gewehrpatronen
genommen haben. Wasser bekommen wir aus einer rostigen Zisterne auf
dem Dach der Bibliothek, und wir fangen und essen die
hellhäutigen nächtlichen Bewohner der Stadt, die wie
Geister durch die Ruinen flitzen und nach etwas suchen, das sie
anscheinend niemals finden. Die Männer beschweren sich,
daß die Jagd auf diese scheuen, aber einfältigen Wesen
keinen Spaß mache. Wir beenden unsere Mahlzeit. Die Männer
stochern mit Bajonetten in ihren Zähnen. Einer von ihnen tritt
an eine Bücherwand und schlägt ein paar alte Bände von
dieser ergiebigen Fassade herunter. Er kommt mit ihnen ans Feuer
zurück, verrenkt ihnen das Rückgrat und zerknüllt die
Seiten, damit sie besser brennen.
    Ich erzähle dem Feldmarschall von dem Barbaren und dem
verhexten Turm, dem Schutzgeist und dem Zauberer und der
Hexenkönigin und den verstümmelten Frauen. Die Geschichte
gefällt ihm.
    Später zieht sich der Feldmarschall mit zweien seiner
Männer und seinem letzten Schwein in seinen Privatraum
zurück. Ich spüle das Geschirr und höre den
Männern zu, die sich über das eintönige Essen und den
langweiligen Sport beschweren. Vielleicht meutern sie bald; dem
Feldmarschall mangelt es an Einfällen, was als Nächstes
unternommen werden soll.
    Ich werde in das Quartier des Feldmarschalls gerufen, ein
früheres Studierzimmer, glaube ich. Es enthält viele Tische
und ein Bett. Die beiden Männer gehen, grinsen mir zu. Sie
schließen die Tür. Zieh das da an, sagt der Feldmarschall
lächelnd.
    Es ist ein Kleid, ein schwarzes Kleid. Er

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