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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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sitzt, die Kragen gut fallen und so weiter.
    Ich bin bereit zum Frühstück. Das Bett muß gemacht
und die Kleider von gestern müssen gereinigt oder
weggehängt werden, aber aufmerksamerweise schickt die Klinik
Leute, um diese Dinge für mich zu erledigen. Als ich einen Hut
wählen will, halte ich inne.
    Das Fernsehen hat sich von selbst eingeschaltet. Es knackt und
beginnt zu zischen. Zuerst denke ich, während ich zum Wohnzimmer
durchgehe, daß ich mich vielleicht irre, daß das
Geräusch von einem undichten Rohr – Wasser oder Gas –
herrühren mag. Aber nein, der in die Wand eingebaute Schirm ist
an. Er zeigt das gleiche Bild wie zuvor: den Mann im Bett, still und
stumm und in Schwarzweiß. Ich schalte das Gerät aus. Das
Bild verschwindet. Ich schalte wieder ein. Der Kranke erscheint von
neuem, und das Wechseln von einem Kanal zum nächsten hat keine
Wirkung. Die Beleuchtung ist nicht mehr die gleiche. In der Wand auf
der anderen Seite des Bettes verbirgt sich hinter den Maschinen, die
es umstehen, anscheinend ein Fenster. Ich halte sorgfältig nach
sonstigen Hinweisen Ausschau. Das Bild ist zu körnig, als
daß ich die Beschriftungen auf den Maschinen lesen könnte;
ich kann nicht einmal sagen, in welcher Sprache sie abgefaßt
sind. Wie ist es möglich, daß sich der Fernseher von
selbst einschaltet? Ich schalte ihn aus und höre draußen
ein Brummen.
    Aus meinen Fenstern blicke ich in einen sonnigen Tag mit blauem
Himmel hinaus. Eine Formation von Flugzeugen fliegt, aus der Richtung
des Königreichs kommend, an der Brücke vorbei. Es sind drei
identische, ziemlich unbeholfen wirkende einmotorige Eindecker, und
sie fliegen einer über dem anderen. Die unterste Maschine ist
ungefähr auf einer Höhe mit mir, die mittlere fünfzig
Fuß darüber, die höchste noch einmal fünfzig
Fuß darüber. Mit brummenden Motoren fliegen sie auf
geradem Kurs vorbei. Die Propeller glitzern wie große,
vorstehende Glasscheiben, und vom Schwanz jedes Flugzeugs dringen
kleine dunkle Rauchwolken hervor, scheinbar zufällig. Die
schwarzen Wölkchen hängen in der Luft, aufgereiht wie
irgendein fremdartiger Code. Eine lange Bahn von Rauchsignalen
markiert den Kurs der Flugzeuge und verschwindet citywärts in
der Ferne wie ein seltsamer Luftzaun.
    Dies verwirrt mich ebenso, wie es mich aufregt. Ich habe kein
Flugzeug mehr gesehen und von keinem reden gehört, seit ich auf
der Brücke bin, nicht einmal von einem Flugboot, das zu bauen
und zu fliegen die Ingenieure und Wissenschaftler der Brücke
offenbar durchaus fähig sind.
    Diese Flugzeuge hatten kein sichtbares Fahrgestell – ganz
bestimmt hatten sie keine Schwimmer –, und im allgemeinen sahen
sie aus, als sei es ihnen ganz und gar unmöglich, vom Wasser aus
zu starten. Vermutlich besitzen sie einziehbare Räder und kommen
von einem Flugplatz an Land. Das würde ich ermutigend
finden.
    Ein langsamer Wind treibt die schwarzen Rauchwölkchen
citywärts. Dabei lösen sie sich in den weiten blauen Himmel
auf. Die Kolbenmotoren der Flugzeuge verklingen allmählich
ebenfalls. Die sich verdünnenden schwarzen Wolken bilden ein
vages Muster. Sie gruppieren sich zu sorgfältig angeordneten
Dreimaldrei-Gittern. Ich beobachte die sich langsam bewegenden
Wolkengruppen, warte darauf, daß die sich zusammenfindenden
Punkte Buchstaben oder Ziffern oder sonst irgendwelche erkennbaren
Formern annehmen. Aber nach ein paar Minuten ist nichts weiter
übrig als ein undefinierbarer Vorhang getrübter Luft, der
wie ein gigantischer Schal aus beschmutzter Gaze citywärts
geweht wird.
    Ich schüttle den Kopf.
    An der Tür fällt mir das nicht funktionierende
Fernsehgerät ein. Aber als ich versuche, die Reparatur-Leute
anzurufen, geht das Telefon auch nicht. Es übermittelt mir eine
Reihe langsamer, nicht vollkommen regelmäßiger
Pieptöne. Zeit zu gehen. Die Welt – jedenfalls die
Brücke – mag verrückt spielen, aber der Mensch braucht
trotzdem ein Frühstück.
     
    Vor den Aufzugtüren draußen im Korridor erkenne ich
einen Nachbarn. Er betrachtet den Messingzeiger auf dem
uhrähnlichen Stockwerksindikator über den geschlossenen
Türen und klopft ungeduldig mit der Fußspitze auf den
Boden. Seine Uniform ist die eines höheren Beamten der
Fahrplangestaltung. Er erschrickt ein wenig; der Teppich muß
meine Schritte gedämpft haben.
    »Guten Morgen«, sage ich, während der
Stockwerksindikator langsam nach oben geht. Der Mann grunzt. Er zieht
seine Taschenuhr hervor und betrachtet sie; sein

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