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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Fuß klopft
schneller. »Sie habe diese Flugzeuge wohl nicht gesehen?«
frage ich ihn. Er sieht mich merkwürdig an.
    »Verzeihung?«
    »Die Flugzeuge; die Flugmaschinen, die vorbeigekommen
sind… es ist noch keine zehn Minuten her.«
    Der Mann starrt mich an. Er sieht auf mein Handgelenk, und seine
Augen flackern. Er hat das Klinik-Armband entdeckt. Der Aufzug
läutet. »O ja«, sagt der Beamte. »Die Flugzeuge,
natürlich.« Die Aufzugtüren öffnen sich
reibungslos. Ich winke ihm, als erster einzusteigen. Er wirft einen
Blick in das holzgetäfelte, mit Messingleisten geschmückte
Innere des wartenden Aufzugs, sieht von neuem auf die Uhr, murmelt
»Entschuldigen Sie« und eilt über den Korridor
davon.
    Ich fahre allein hinunter. Auf einer runden, ledergepolsterten
Bank sitzend, betrachte ich die gekräuselte Oberfläche
eines Aquariums in einer Ecke. Neben der Tür hängt ein
Telefon.
    Der messingne Hörer ist schwer. Ich höre eine Weile
nichts, dann ein paar leise piepende Geräusche, die zuerst so
klingen wie die seltsamen Töne, die der Apparat in meinem
Apartment von sich gegeben hat. Sie werden schnell von der Stimme
einer ziemlich mürrischen Telefonistin abgelöst. »Ja?
Was wünschen Sie?« Für mich ist es eine richtige
Erleichterung.
    »Oh, geben Sie mir bitte Reparatur und Wartung.«
    »Was, jetzt?«
    Der Lift nähert sich dem Stockwerk, auf dem ich aussteigen
möchte, und wird langsamer. »Nein, lassen Sie nur.«
Ich hänge auf.
    Ich verlasse den Aufzug auf einem der oberen Arkaden-Decks, wo
mich ein flotter Spaziergang – vorbei an kleinen Läden mit
den frischen Waren, die soeben mit den frühmorgendlichen
Güterzügen eingetroffen sind – zu der
Inches-Frühstücksbar bringt. Unterwegs bleibe ich an einem
Blumenstand stehen und wähle eine rosa Nelke, die einen
hübschen Kontrast zu Uhr und Krawatte bildet.
    Die getäfelten, fensterlosen Wände der
Frühstücksbar sind mit meisterhaften, aber nicht
überzeugenden Ansichten von grünem Weideland bemalt. Es ist
ein ruhiges, gedämpftes Lokal mit hohen Decken und schummeriger
Beleuchtung, dicken Teppichen und dünnem Porzellan. Man
führt mich zu meinem üblichen Tisch im Hintergrund. Darauf
liegt eine gefaltete Zeitung; sie befaßt sich beinahe
ausschließlich mit geringfügigen Änderungen der
Gesetze und Vorschriften über den Betrieb und den Unterhalt der
Brücke und ihres Verkehrs, mit den Beförderungen und
Todesfällen unter den Administratoren der Brücke, mit den
im allgemeinen schrecklich langweiligen gesellschaftlichen
Ereignissen, die sich unter den gleichen Gruppen abspielen, und mit
einigen der komplizierten, unverständlichen und wenig
betriebenen Spiele und Sportarten, die bei diesen Mandarinen
populär sind.
    Ich bestelle geräucherte Fischfilets, scharf gewürzte
gegrillte Lammnieren, Toast und Kaffee. Die Zeitung beiseitelegend,
blicke ich zu dem Gemälde an der gegenüberliegenden Wand
hoch. Es zeigt einen Wiesenhang in leuchtendem Grün,
gesäumt von Nadelbäumen und gesprenkelt mit bunten Blumen.
Jenseits eines flachen Tales heben sich baumbestandene Hügel vor
dem Sonnenlicht ab.
    Sind diese Szenen nach der Natur gemalt, oder existierten die Orte
nur im Kopf des Künstlers?
    Der Kaffee wird gebracht. Ich habe noch nie eine Kaffeepflanze auf
der Brücke gesehen. Meine Lammnieren müssen von irgendwoher
kommen, aber von woher? Auf der Brücke sprechen wir von
flußab- und flußaufwärts, von citywärts und
königreichwärts. Es muß Land geben (hätte eine
Brücke ohne Land Sinn?), aber wie weit ist es entfernt?
    Ich habe soviel an Forschungsarbeit geleistet, wie es mir,
behindert sowohl durch die Sprache als auch die
Zutrittsbeschränkungen, denen der Amateur-Forscher bei den
Einrichtungen der Brücke unterworfen ist, möglich war. Aber
trotz monatelanger Arbeit bin ich der Entdeckung von Art und Lage der
City oder des Königreichs nicht nähergekommen. Sie bleiben
rätselhaft, unfixierbar.
    Meine schon lange eingestellten Bitten um Informationen sinken
zweifellos immer noch durch die miasmatischen Schichten des
bürokratischen Modders, der die organisatorische Struktur der
Brückenbehörde repräsentiert. Ich habe den Eindruck,
alle meine ursprünglichen Fragen darüber, wie groß
die Brücke sei, was sie überbrücke, was sie verbinde
und so weiter, sind so oft und zwischen so vielen verschiedenen
Abteilungen und Büros weitergeleitet, umformuliert,
präzisiert, in gehörige Ordnung gebracht, glossiert,
interpretiert und

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