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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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die
meinem Ohr aber sanft und lieblich klingen wie eine freundliche Bitte
und mich mit wütendem Begehren erfüllen.
    Die Damen gehen hin und her oder liegen zwischen Seidenkissen in
ihren kleinen Pavillons und breiten Wagen. Sie tragen alle
möglichen Kleider, einige sind streng und konventionell und
bedecken sie vom Hals bis zu den Fußsohlen, andere dünn
und durchsichtig oder voll von sorgfältig angebrachten Rissen
und Löchern, so daß die vollen jungen Körper –
weiß wie Alabaster, schwarz wie Jett, golden wie Gold –
hindurchschimmern, als sei ihre Jugend und abrufbereite Mannbarkeit
etwas, das hell in ihnen brennt, eine Wärme, die für meine
Augen sichtbar ist.
    Sie ziehen sich manchmal für mich aus, langsam, und
beobachteten mich dabei. Ihre großen traurigen Augen sind
voller Sehnsucht, ihre schlanken, zarten Hände wandern zu ihren
Schultern, öffnen, streifen ab, lassen Strumpfhalter und
Stoffschichten fallen wie Wassertropfen nach einem Bad. Ich heule,
ich renne schneller, ich schreie nach ihnen.
    Manchmal kommen sie an den Rand des Ufers, ganz dicht an die
Brücke, und sie ziehen ihre Kleider aus, sie rufen mir zu, sie
ballen ihre kleinen Fäuste und bewegen ihre Hüften, sinken
mit gespreizten Beinen in die Knie, breiten die Arme nach mir aus.
Ich schreie dann auch und werfe mich vorwärts, ich sprinte los,
so schnell ich kann. Oder ich halte, steif vor Begehren, meinen
Schwanz vor mir wie einen kurzen Flaggstock, renne und schüttle
ihn und brülle vor frustrierter Lust. Oft ejakuliere ich und
falle dann erschöpft auf das harte Metall der geschwungenen
Brücke, bleibe dort keuchend, schluchzend, weinend liegen,
schlage den abblätternden eisernen Boden mit den Händen,
bis sie bluten.
    Gelegentlich lieben die Frauen sich vor meinen Augen. Ich jammere
und raufe mir die Haare. Sie lassen sich stundenlang Zeit dafür,
küssen und streicheln sich sanft, liebkosen und lecken sich.
Beim Orgasmus schreien sie auf, ihre Körper zucken, umklammern
sich, pulsieren gemeinsam. Manchmal beobachten sie mich, wenn sie das
tun, und ich komme zu keinem Schluß, ob der Blick ihrer
großen, feuchten Augen immer noch traurig und sehnsüchtig
oder befriedigt und spöttisch ist. Ich bleibe stehen und
schüttle die Faust gegen sie, brülle zu ihnen hinüber:
»Ihr Huren! Ihr Undankbaren! Verdammte Quälerinnen!
Höllenbrut! Was ist mit mir? Kommt hierher! Los, kommt! Nun
macht schon! Na, dann werft mir ein Tau zu!«
    Das tun sie nicht. Sie paradieren vor mir, sie ziehen sich aus,
sie ficken, sie schlafen, und sie lesen alte Bücher, sie
bereiten Mahlzeiten zu und stellen sie auf kleinen
Reispapier-Tabletts an den Rand der Brücke, damit ich essen kann
(manchmal rebelliere ich; ich werfe die Tabletts in den Fluß,
die fleischfressenden Fische verschlingen Essen und Tablett). Aber
auf die Brücke treten wollen sie nicht. Mir fällt ein,
daß Hexen kein Wasser überqueren können.
    Ich gehe. Die Brücke dreht sich langsam, rumpelt und bebt ein
kleines bißchen. Die Stangen, die von ihren Rändern
aufsteigen, bewegen sich langsam, streichen durch den Nebel. Ich
renne. Die Brücke legt rasch einen Gang zu, paßt sich
meiner Geschwindigkeit an, zittert unter meinen Füßen, die
Stangen auf beiden Seiten erzeugen ein leises, reißendes
Geräusch in der nebelerfüllten Luft. Ich bleibe stehen; die
Brücke bleibt stehen. Ich bin immer noch über der Mitte des
kleinen, langsam fließenden Flusses. Ich setze mich hin. Die
Brücke rührt sich nicht. Ich springe hoch und werfe mich
auf das Ufer zu, wo die Damen sind. Ich rolle, krieche, hüpfe
und springe. Die Brücke kollert hierhin und dahin, kommt nie
mehr als für ein paar Schritte mit mir aus dem Schritt, und
immer, immer holt sie mich am Ende zurück auf ihren flachen
Gipfel, ihren höchsten Punkt über dem trägen Strom.
Ich bin der Schlußstein der Brücke.
    Ich schlafe – für gewöhnlich des Nachts, manchmal
während des Tages – über der Mitte des Wassers.
Mehrere Male habe ich bis genau Mitternacht gewartet, habe
stundenlang Schlaf vorgetäuscht, bin dann – zack! –
aufgesprungen und mit einem gewaltigen Satz losgestürmt. Mit
einem einzigen Sprung! Ah-ha!
    Aber die Brücke fällt nicht darauf herein. Sie bewegt
sich schnell, und in Sekunden bin ich, ob ich renne oder springe oder
rolle, wieder über der Flußmitte.
    Ich habe versucht, die Trägheit der Brücke gegen sie zu
verwenden, ihr angenommenes Bewegungsmoment, ihre eigene schreckliche
Masse. Also renne

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