Die Brücke
aber auch irren.«
»Was für ein Schweinehund.« Mr. Lynch
schüttelt den Kopf und blickt grimmig drein. »Diese
Ärzte.«
»Es sieht in der Tat rachsüchtig und kleinlich aus, aber
ich habe es mir wohl selbst zuzuschreiben.«
»Alles Schweinehunde«, bleibt Mr. Lynch bei seiner
Meinung und nimmt einen Schluck aus seinem Becher. Er schlürft
den Tee. Das hat auf mich die gleiche Wirkung wie Fingernägel,
die über eine Schiefertafel kratzen; ich beiße die
Zähne zusammen. Mein Blick wandert zu der Uhr über der
Servierklappe. Ich werde versuchen, Brooke zu erreichen;
wahrscheinlich wird er bald in Dissy Pittons Lokal eintreffen.
Mr. Lynch holt Tabak und Papier hervor und rollt sich eine
Zigarette. Er schnüffelt mächtig und erzeugt tief in der
Kehle ein grunzendes, schnaubendes, katarrhalisches Geräusch.
Ein langes, abgehacktes Husten, als würde in Mr. Lynchs Brust
ein großer Sack mit Steinen heftig geschüttelt,
vervollständigt seine Rauch-Vorbereitungen.
»Müssen Sie irgendwohin, Freund?« Mr. Lynch hat
meinen Blick zur Uhr bemerkt. Er steckt sich die Zigarette an,
erzeugt eine Wolke stechenden Rauchs.
»Ja. Zeit zu gehen. Ich treffe mich mit einem alten
Bekannten.« Ich stehe auf. »Ich danke Ihnen sehr, Mr.
Lynch; es tut mir leid, daß ich so eilig fort muß. Sobald
ich wieder flüssig bin, hoffe ich, daß Sie mir erlauben
werden, mich für Ihre Großzügigkeit zu
revanchieren.«
»Kein Problem, Freund. Wenn Sie morgen Hilfe brauchen,
klopfen Sie bei uns an; es ist mein freier Tag.«
»Danke. Sie sind ein freundlicher Mensch, Mr. Lynch. Guten
Tag.«
»Aye. Auf Wiedersehen.«
Ich komme später als beabsichtigt und mit wunden
Füßen an Dissy Pittons Lokal an. Hätte ich doch Mr.
Lynchs Angebot, mir Geld für den Zug zu leihen, angenommen! Ich
finde es verblüffend, wie viel weniger angenehm das Laufen wird,
wenn man es der Not gehorchend statt zum Zeitvertreib tut.
Außerdem ist mir bewußt, daß ich als die Uniform
angesehen werde, die ich trage. Mein Gesicht scheint für alle
praktischen Zwecke unsichtbar zu sein. Trotzdem marschiere ich
hocherhobenen Hauptes mit zurückgenommenen Schultern, als
trüge ich immer noch meinen besten Mantel und Anzug, und ich
glaube, als ich meinen Spazierstock noch in der Hand hielt und
schwenkte, war er nicht so offensichtlich wie jetzt in seiner
Abwesenheit.
Der Türsteher vor Dissy Pittons Lokal ist jedoch nicht
beeindruckt.
»Kennen Sie mich nicht mehr? Ich bin fast jeden Abend hier.
Ich bin Mr. Orr. Sehen Sie her!« Ich hebe den Arm, damit er mein
Identitäts-Armband sehen kann. Er ignoriert es. Ich glaube, es
setzt ihn in Verlegenheit, daß er sich mit mir abgeben und
gleichzeitig grüßend an die Mütze tippen und die
Tür für Gäste öffnen muß.
»Verschwinden Sie hier, ja?«
»Erkennen Sie mich denn nicht? Sehen Sie sich mein Gesicht
an, Mann, nicht den verdammten Overall. Bringen Sie Mr. Brooke
wenigstens eine Nachricht… ist er schon hier? Brooke, dem
Ingenieur, ein kleiner, dunkler Mann, geht ein bißchen
gebückt…« Der Türsteher ist größer und
schwerer als ich, sonst würde ich versuchen, mir den Weg zu
erzwingen.
»Sie verschwinden jetzt, oder Sie bekommen Ärger!«
Er wirft einen Blick den breiten Korridor außerhalb der Bar
hinunter, als halte er nach jemandem Ausschau.
»Ich war erst vorgestern hier; ich bin der Mann, der dem
Ingenieur Bouch seinen Hut zurückgegeben hat. Daran müssen
Sie sich doch erinnern! Sie hielten ihm den Hut hin, und er erbrach
sich hinein.«
Der Türsteher lächelt, berührt seine Mütze,
läßt ein Paar, das ich nicht kenne, in die Bar.
»Hören Sie, Mann, ich hatte die letzten beiden Wochen
Urlaub. Jetzt verpissen Sie sich, oder es wird Ihnen leid
tun!«
»Oh… ich verstehe. Entschuldigung. Aber bitte, wenn ich
eine Nachricht schreibe, würden Sie…«
Weiter komme ich nicht. Der Türsteher sieht sich noch einmal
um, stellt fest, daß der Korridor verlassen daliegt, und boxt
mir mit einer schweren, behandschuhten Hand in den Magen. Es tut
schrecklich weh, und als ich mich krümme, landet er einen
weiteren Hieb auf meinem Kinn, daß mir der Kopf nach hinten
fliegt. Ich taumle rückwärts, benommen vor Schmerz. Er
trifft mein Auge. Es ist der Schock, vermute ich.
Halb bewußtlos falle ich auf die Holzbohlen. Ich werde an
Hosenboden und Kragen meines Overalls gefaßt und über das
Deck geschleift, durch eine Tür in die Kälte. Ich werde auf
ein Metalldeck im Freien geworfen. Zwei weitere heftige
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