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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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Schläge
treffen meine Flanken. Ich glaube, es sind Fußtritte.
    Eine Tür knallt zu. Der Wind bläst.
    Unfähig, mich zu bewegen, bleibe ich eine Weile liegen, wie
ich fallengelassen worden bin. Ein hämmernder Schmerz baut sich
in meinem Bauch auf. Ohne zu erkennen, wo ich bin (ich glaube, es ist
Blut in meinen Augen) erbreche ich die Fischmehl-Wurst und den
Meerestang.
     
    Ich liege auf meinem schmalen Bett. Der Mann und die Frau in dem
Zimmer über mir streiten miteinander. Der Schmerz foltert mich;
ich werde gleichzeitig von Übelkeit und Hunger geplagt. Mein
Kopf, meine Zähne und Kiefer, mein rechtes Auge und die rechte
Schläfe, mein Magen, mein Bauch und meine Flanken – alles
tut weh, ist eine Symphonie aus Schmerz. Von dem allen wird das
nagende Flüstern, das Echo meiner alten Verletzung, der tiefe,
kreisrunde Schmerz in der Brust, an den ich so gewöhnt bin,
völlig übertönt.
    Ich bin sauber. Ich habe mir den Mund ausgewaschen, so gut ich
konnte, und mir das Taschentuch über die aufgerissene Augenbraue
gelegt. Ich bin mir nicht ganz sicher, wie ich zurückgelaufen
oder -getaumelt bin, aber ich habe es getan, von meinen Schmerzen
benommen wie ein Betrunkener.
    Das Bett bietet mir keine Linderung. Es ist nur ein neuer Ort, um
die Schmerzwellen zu erkennen, die mich überfluten und an das
Ufer des Körpers schlagen.
    Am Ende, aber in der Mitte der Nacht, sinke ich in Schlaf. Doch
ich treibe in einem Ozean aus brennendem Öl, nicht in einem
erholsamen Meer. Von den Qualen des Wachseins, die der Verstand
wenigstens versuchen kann, in einen Kontext zu bringen – wobei
er die Zeit herbeisehnt, wenn der Schmerz aufgehört hat –,
falle ich in die halbbewußte Trance, in der die kleineren,
früheren, tieferen Ringe des Gehirns nur wissen, daß die
Nerven schreien, daß der Körper schmerzt, und da ist
niemand, der einen tröstet.

 
Drei

----
     
     
    ICH WEISS NICHT, wie lange ich hier bin. Lange Zeit. Ich
weiß nicht, wo dieser Ort ist. Irgendwo weit weg. Ich
weiß nicht, warum ich hier bin. Weil ich etwas falsch gemacht
habe. Ich weiß nicht, wie lange ich noch hierbleiben muß.
Lange Zeit.
    Dies ist keine lange Brücke, aber sie setzt sich in alle
Ewigkeit fort. Ich bin nicht weit vom Land, aber ich werde nie dort
ankommen. Ich gehe, aber ich bewege mich nicht. Ob ich schnell oder
langsam gehe, ob ich renne, kehrtmache, zurücklaufe, springe,
mich hinwerfe oder stehenbleibe, das macht alles keinen
Unterschied.
    Die Brücke ist aus Eisen gemacht. Es ist dickes, schweres,
rostendes Eisen, zerfressen und abblätternd, und meine
Füße erzeugen ein totes, schweres Geräusch darauf,
ein Geräusch, so dick und schwer, daß es fast schon kein
Geräusch mehr ist, nur der Schock jedes Schrittes, der durch
meine Knochen zu meinem Kopf wandert. Die Brücke besteht
anscheinend aus einem einzigen Stück. Vielleicht war das nicht
immer so; vielleicht ist sie einmal zusammengenietet worden. Aber
jetzt ist sie aus einem Stück, zu einem Stück
zusammengerostet. Sie zerfällt zu einer einzigen verrottenden
Masse. Möglicherweise ist sie auch zusammengeschweißt
worden. Wen kümmert es.
    Sie ist nicht groß. Sie überbrückt einen kleinen
Fluß. Ich kann ihn durch die dicken Eisenstangen, die sich vom
Rand des Geländers erheben, sehen. Der Fluß fließt
gerade und langsam aus dem Nebel, unter der Brücke hindurch und
ebenso gerade und langsam von ihr weg, hinein in den gleichen
verdammten Nebel flußabwärts.
    Ich könnte diesen Fluß bestimmt in zwei Minuten
durchschwimmen (wenn die fleischfressenden Fische nicht wären),
ich könnte diese Brücke in sehr viel kürzerer Zeit
überqueren, auch wenn ich langsam ginge.
    Die Brücke ist Teil eines Kreises, stellt vielleicht das
obere Viertel dar. Das Ganze bildet ein großes hohles Rad, das
den Fluß umschließt.
    Auf dem Ufer hinter mir führt eine mit Kopfsteinen
gepflasterte Straße in ein Moor hinein. Auf dem
gegenüberliegenden Ufer sind meine Damen, ruhen oder
vergnügen sich in einer Vielzahl von kleinen Pavillons und
offenen Wagen auf einer Wiese. Sie ist – das sehe ich bei den
seltenen Gelegenheiten, wenn der Nebel sich ein wenig lichtet –
von hohen, breitblättrigen Bäumen umstanden. Ich gehe in
alle Ewigkeit auf die Damen zu. Manchmal gehe ich langsam, manchmal
schnell. Ich bin sogar schon gerannt. Sie winken mir und strecken
mir, mich willkommen heißend, die Hände entgegen. Ihre
Stimmen rufen mir in Sprachen zu, die ich nicht verstehen kann,

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