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Die Brücke

Die Brücke

Titel: Die Brücke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ian Banks
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der
Farbe hellen Bernsteins auf die Flamme einer Kerze. Ihre
malzbenetzten Lippen glitzern in dem weichen Licht.
    Miss Arrol hat darauf bestanden, mich zum Dinner einzuladen. Wir
sitzen an einem Fenstertisch im Restaurant »Hohe
Träger«. Das Essen war superb, die Bedienung von
unaufdringlicher Tüchtigkeit, wir haben Raum um uns, guten Wein
und eine exzellente Aussicht. (Lichter funkeln überall auf dem
Meer, wo die Fischerboote als Ankerplätze für die
Sperrballons dienen. Die Blasen selbst sind undeutlich sichtbar, fast
auf einer Höhe mit uns, matte Präsenzen in der Nacht, die
wie Wolken die massierten Lichter der Brücke widerspiegeln. Ein
paar der helleren Sterne sind ebenfalls sichtbar.)
    »Was ich tun werde?« frage ich.
    »Ja. Was ist wichtiger, daß Sie wieder in Ihre Position
als einer von Dr. Joyces Vorzugspatienten eingesetzt werden oder
daß Sie Ihr Gedächtnis zurückgewinnen?«
    »Nun…« Ich denke erst jetzt richtig darüber
nach. »Sicher ist es ziemlich ungemütlich und schmerzlich,
wenn man in der Brücke hinunterkommt, aber ich glaube, ich
könnte lernen, mit meinem niedrigeren Rang zu leben, sollte es
zum Schlimmsten kommen.« Ich nehme einen Schluck Whisky. Miss
Arrols Gesichtsausdruck ist neutral. »Meine Unfähigkeit,
mich zu erinnern, wer ich bin, ist jedoch nichts…« –
ich lache ein bißchen – »was ich jemals vergessen
könnte. Ich werde immer wissen, daß es in meinem Leben
etwas vor diesem gegeben hat, und deshalb werde ich immer danach
suchen. Es ist wie eine versiegelte, vergessene Kammer in meinem
Innern. Ich werde mich nicht vollständig fühlen, solange
ich den Eingang zu dieser Kammer nicht entdeckt habe.«
    »Hört sich nach einer Gruft an. Haben Sie keine Angst
vor dem, was Sie darin finden werden?«
    »Es ist eine Bibliothek; vor Bibliotheken fürchten sich
nur die Dummen und die Schlechten.«
    »Sie wollen also lieber Ihre Bibliothek finden als Ihr
Apartment zurückbekommen?« Abberlaine Arrol lächelt.
Ich nicke, beobachte sie. Sie hat den Hut abgenommen, als wir
hereinkamen, aber ihr Haar ist noch hochgesteckt. Ihr Kopf und Hals
sehen sehr fein aus. Diese betörenden Fältchen unter ihren
Augen faszinieren mich immer wieder; sie sind wie kleine Wachtposten,
die sie aufgestellt hat, eine Reihe von Sandsäcken unter diesen
amüsierten, graugrünen Augen, selbstbewußt, sicher,
unbeeinflußt.
    Abberlaine Carrol blickt in ihr Glas. Ich will gerade eine
Bemerkung über eine kleine Falte machen, die sich soeben auf
ihrer Stirn gebildet hat, als das Licht ausgeht.
    Uns bleibt nur unsere Kerze. Auf den anderen Tischen flackern
ebenfalls Flämmchen. Eine trübe Notbeleuchtung geht an. Ein
Hintergrundgeräusch von dumpfem Gemurmel erhebt sich.
Draußen verschwinden nach und nach die Lichter auf den
Fischerbooten. Die Ballons, die das Licht der Brücke reflektiert
haben, sind nicht länger sichtbar; das ganze Bauwerk muß
dunkel sein.
    Die Flugzeuge – sie kommen ohne Licht, brummen durch die
Nacht, aus der Richtung der City. Miss Arrol und ich stehen auf,
sehen aus dem Fenster. Mehrere andere Gäste gesellen sich zu
uns, spähten in die Nacht hinaus, beschatten die schwachen
Notlampen und die Kerzen mit den Händen, drücken die Nasen
gegen das kühle Glas wie Schuljungen vor einem
Süßwarenladen. Jemand öffnet ein Fenster.
    Die Flugzeuge sind dem Geräusch nach beinahe neben uns.
»Können Sie sie sehen?« fragt Abberlaine Arrol.
    »Nein«, gestehe ich. Das Brummen der Motoren ist sehr
nahe. Die Flugzeuge sind völlig unsichtbar, fliegen ohne
Positionslichter. Mond haben wir nicht, und die Sterne sind nicht
hell genug, um sie zu zeigen.
    Sie fliegen vorüber, anscheinend unbeeinflußt durch den
Mangel an Licht.
    »Glauben Sie, das haben die Flugzeuge gemacht?« Miss
Arrol sieht immer noch nach draußen. Ihr Atem befeuchtet das
Glas.
    »Ich weiß es nicht«, antworte ich. »Es
würde mich nicht wundern.« Sie beißt sich auf die
Unterlippe. Ihre Fäuste sind gegen das dunkle Fenster geballt,
ihr Gesicht trägt den Ausdruck aufgeregter Erwartung. Sie wirkt
sehr jung.
    Das Licht geht wieder an.
    Die Flugzeuge haben ihre sinnlose Botschaft zurückgelassen;
die Rauchwolken sind gerade eben sichtbar, Dunkelheit auf Dunkelheit.
Miss Arrol setzt sich wieder und greift zu ihrem Glas. Als ich meins
hebe, beugt sie sich verschwörerisch über den Tisch und
sagt leise: »Auf unsere kühnen Flieger, woher sie auch
kommen mögen.«
    »Und wer sie auch sein mögen.« Ich berühre

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