Die Brücke
ihr
Glas mit dem meinen.
Als wir gehen, ist über den appetitlicheren Düften des
Restaurants ein schwacher Hauch von öligem Rauch wahrzunehmen.
Das ungewisse Signal der verschwundenen Flugzeuge schlingt sich durch
die strukturelle Grammatik der Brücke wie eine Kritik.
Wir warten auf einen Zug. Miss Arrol raucht eine Zigarre. Musik
spielt im Wartezimmer der Polsterklasse. Sie streckt sich in ihrem
Sessel und unterdrückt ein kleines Gähnen. »Ich bitte
um Entschuldigung«, sagt sie. Dann: »Mr. – oh,
hören Sie, wenn ich Sie John nennen darf, werden Sie mich dann
Abberlaine nennen, nie ›Abby‹?«
»Gewiß, Abberlaine.«
»Gut, also… John. Mir ist klar, daß Sie über
Ihre neue Unterbringung nicht restlos entzückt sind.«
»Sie ist besser als gar nichts.«
»Ja, natürlich, aber…«
»Nicht etwa, daß sie mir gefiele. Und ohne Mr. Lynch
wäre ich dort noch mehr in Verlegenheit, als ich es bereits
bin.«
»Hmm. Das habe ich mir gedacht.« Sie versinkt in
Gedanken, ihr Blick konzentriert sich auf einen ihrer glänzenden
schwarzen hohen Absätze. Sie reibt sich mit dem Finger über
die Lippen, betrachtet ernst ihre Zigarre. »Ah.« Der
Finger, der die Lippen liebkost, hebt sich in die Luft. »Ich
habe eine Idee.« Jetzt ist ihr Grinsen schalkhaft.
»Mein Urgroßvater väterlicherseits hat es bauen
lassen. Einen Augenblick, ich finde den Lichtschalter gleich. Ich
glaube…« Es gibt einen dumpfen Bums. »Verflixt!«
Miss Arrol kichert. Ich höre, wie sich grobe Seide auf glattem
Fleisch reibt.
»Sind Sie in Ordnung?«
»Bestens. Ich habe mir eben das Schienbein angestoßen.
Also, der Lichtschalter. Ich glaube, er ist… nein. Verdammt, ich
kann überhaupt nichts sehen. Sie haben wohl kein Streichholz,
John? Ich habe mein letztes für die Zigarre
verbraucht.«
»Tut mir leid, nein.«
»Ich weiß. Würden Sie mir Ihren Stock
geben?«
»Natürlich. Hier. Ist das…? Haben
Sie…?«
»Ja, danke, habe ihn.« Ich höre, wie sie sich
tappend und scharrend einen Weg durch die Dunkelheit sucht. Ich
stelle meinen Koffer auf den Boden, warte, ob meine Augen sich
genügend anpassen werden oder nicht. Drüben in der einen
Ecke kann ich vage Andeutungen von Licht erkennen, aber das Innere
dieses Hauses ist vollkommen schwarz. Von weiter entfernt schallt
Abberlaine Arrols Stimme zurück: »Es sollte in der
Nähe der Marina sein. Deshalb hat er es bauen lassen. Dann hat
man das Sportzentrum oben draufgesetzt. Er war zu stolz, um die
Entschädigungszahlung anzunehmen, deshalb ist es in der Familie
geblieben. Mein Vater redet dauernd davon, es zu verkaufen, doch wir
würden nicht viel dafür bekommen. Wir benutzen es nur als
Speicher. An der Decke war eine feuchte Stelle, aber sie ist
repariert worden.«
»Aha.« Ich lausche nach dem Mädchen, aber alles,
was ich hören kann, ist das Geräusch des Meeres. Wellen
schlagen an die Felsen oder Piers in der Nähe. Ich kann das Meer
auch riechen; etwas von seiner frischen Feuchtigkeit durchdringt die
Luft.
»Wurde auch langsam Zeit«, höre ich Abberlaine
Arrols erstickte Stimme. Ein Klicken, und alles wird enthüllt.
Ich stehe neben der Tür einer geräumigen Wohnung, einem
Großraum mit Zwischenstockwerken, voll von alten Möbeln
und Packkisten. Von einer hohen Decke mit Feuchtigkeitsflecken
hängt eine Sammlung von komplizierten Leuchtkörpern; Firnis
blättert von alten, getäfelten Wänden. Überall
sind weiße Laken, die alte, schwer wirkende Büfetts,
Schränke, Couches, Sessel, Tische und Kommoden halb bedecken.
Andere Möbelstücke sind noch ganz zugedeckt,
eingehüllt und verschnürt wie riesige, staubige weiße
Geschenke. Wo vorher undeutlich hellere Stellen waren, bilden jetzt
Fenster ohne Läden, die in die Nacht hinaussehen, einen einzigen
langen schwarzen Schirm. Abberlaine Arrol erscheint aus einem
Nebenzimmer, den flachen, breiten Hut noch auf dem Kopf, schlägt
die Hände zusammen, reibt Staub davon ab.
»So ist es ein bißchen besser.« Sie sieht sich um.
»Ein bißchen staubig und verlassen, aber es ist ruhig, und
ein bißchen privater als Ihr Zimmer auf U7 oder wo auch
immer.« Sie gibt mir meinen Stock zurück, fängt dann
an, durch die Möbelsammlung zu gehen, Laken und Decken
zurückzuschlagen und darunterzuspähen. Bei der Besichtigung
der hier abgestellten Gegenstände wirbelt sie einen Staubsturm
auf. Sie niest. »Irgendwo müßte ein Bett
stehen.« Sie nickt zu den Fenstern hin. »Vielleicht
wäre es keine schlechte Idee, die
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