Die Brücken Der Freiheit: Roman
sein.«
Zur üblichen Zeit klopfte die Köchin Sarah an die Tür. Sie brachte Lizzie ihr Frühstück. Peg versteckte sich sofort wieder im Bett. Doch die Köchin sagte, als sie hereinkam, unverblümt zu Lizzie: »Ich weiß alles über Peg. Machen Sie sich keine Sorgen.«
Peg kam wieder aus ihrem Versteck, und Lizzie fragte nachdenklich: »Wer weiß denn noch nicht über sie Bescheid, Sarah?«
»Nur Mr. Jamisson und Mr. Lennox.«
Lizzie teilte ihr Frühstück mit Peg. Das Kind schaufelte gerösteten Schinken und Rührei in sich hinein, als ob es seit Monaten nichts mehr zu essen bekommen hätte.
Als sie fertig waren, verließ der Fahndungstrupp gerade die Plantage. Lizzie und Peg beobachteten vom Fenster aus, wie die
Männer über den Rasen zum Fluß hinabgingen. Sie waren sehr ruhig und offensichtlich enttäuscht; man konnte es an ihren hängenden Schultern sehen. Ihre gedrückte Stimmung hatte auch auf die Hunde abgefärbt, die gehorsam hinter ihnen hertrotteten.
Peg und Lizzie sahen den Männern nach, bis sie außer Sicht waren. Dann seufzte Lizzie erleichtert auf und sagte: »Jetzt bist du in Sicherheit.«
Glücklich fielen sie einander in die Arme. Lizzie erschrak, als sie spürte, wie knochendürr das Mädchen war. Eine Welle mütterlicher Zuneigung zu dem armen Kind überkam sie.
»Bei Mack bin ich immer sicher«, sagte Peg.
»Du darfst das Zimmer hier erst verlassen, wenn wir die Gewähr haben, daß Jay und Lennox nicht da sind.«
»Besteht nicht die Gefahr, daß Mr. Jamisson reinkommt?« fragte Peg.
»Nein, er kommt nie hier rein.«
Verdutzt sah Peg sie an. Sie stellte jedoch keine weitere Frage, sondern sagte: »Wenn ich alt genug bin, werde ich Mack heiraten.«
Lizzie hatte das höchst merkwürdige Gefühl, daß ihr soeben eine strenge Warnung erteilt worden war.
Mack saß im alten Kinderflügel, wo er sich ungestört wußte, und überprüfte noch einmal seine Ausrüstung. Er hatte ein Knäuel Bindfaden gestohlen und besaß sechs Haken, die Cass, der Schmied, eigens für ihn gefertigt hatte. Damit konnte er sich Fische fangen. Er hatte einen Becher und einen Teller aus Zinn dabei - typisches Sklavengeschirr - , eine Dose mit Zunder zum Feuermachen und eine Eisenpfanne zum Kochen und Braten. Eine Axt und ein schweres Messer hatte er beim Roden und Fässermachen mitgehen lassen.
Ganz unten auf dem Boden des Sacks lag, eingewickelt in ein Stück Leinen, ein Schlüssel für die Waffenkammer. Ehe er endgültig die Pflanzung verließ, wollte er dort noch ein Gewehr und Munition stehlen.
Ebenfalls im Segeltuchsack verstaut waren sein Robinson Crusoe und der eiserne Halsring, den er aus Schottland mitgebracht hatte. Er nahm ihn in die Hand und erinnerte sich daran, wie er in der Nacht seiner Flucht aus Heugh in die Schmiede eingebrochen war. Er mußte an seinen nächtlichen Freudentanz im Mondschein denken. Inzwischen war über ein Jahr vergangen, und er war noch immer nicht frei. Aber er hatte nie aufgegeben.
Mit Pegs Rückkehr war das letzte Hindernis beseitigt, das seiner Flucht entgegenstand. Sie war inzwischen ins Sklavenquartier übergesiedelt und schlief in einer Hütte mit anderen unverheirateten Mädchen. Es geschah nicht zum erstenmal, daß dort ein Flüchtling versteckt wurde. Eine Schüssel Maisbrei und ein hartes Nachtlager fanden sich für entlaufene Sklaven auf jeder Plantage in Virginia.
Tagsüber stromerte Peg durch die Wälder und hielt sich von anderen Menschen fern. Erst nach Einbruch der Dunkelheit kehrte sie zurück und nahm das Abendessen gemeinsam mit den Plantagenarbeitern ein. Mack wußte, daß es nicht ewig so weitergehen konnte. Die Langeweile würde sie über kurz oder lang sorglos werden lassen, und dann würde man sie verhaften. Aber ihr Tagesablauf würde sich in Kürze ändern.
Macks Haut prickelte in Erwartung der bevorstehenden Ereignisse. Cora war verheiratet. Peg war vorläufig in Sicherheit, und dank der Karte kannte er seinen Fluchtweg. Alles, was sein Herz begehrte, war Freiheit. Er mußte nur noch einen genauen Termin festlegen - dann würden er und Peg sich am Ende eines Arbeitstages auf Nimmerwiedersehen davonschleichen. Im Morgengrauen des nächsten Tages konnten sie bereits dreißig Meilen zurückgelegt haben. Sie würden nur nachts marschieren und sich während des Tages einen Unterschlupf suchen.
Wie alle entlaufenen Häftlinge würden sie sich morgens und abends im Sklavenquartier der jeweils nächsten Pflanzung etwas zu essen erbetteln.
Im
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