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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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dachte er und war schon versucht, nach ihr Ausschau zu halten, unterließ es dann aber doch, weil er befürchtete, sie könne just in diesem Augenblick feuern und ihn dadurch um seine Chance bringen. Er behielt die Waffe im Anschlag und Roberts Rücken im Visier. Sein gesamter Körper war gespannt wie eine Harfensaite, und die Muskeln begannen von der Anspannung bereits zu schmerzen, aber Jay wagte es jetzt nicht mehr, sich zu rühren.
    Nein, dachte er, das ist doch alles gar nicht wahr, ich werde doch meinen eigenen Bruder nicht umbringen… Und ob ich's tun werde! Bei Gott, ja, ich werde es tun, ich schwöre es…
    Mach schnell, Lizzie, bitte!
    Am Rande seines Blickwinkels nahm er ganz in seiner Nähe eine Bewegung wahr, doch bevor er aufblicken konnte, hörte er den Knall von Lizzies Schuß. Die Hirsche erstarrten. Jay zielte auf Roberts Rückgrat, genau zwischen die Schulterblätter, und krümmte den Finger um den Abzug. Im gleichen Augenblick
    war eine große, massige Gestalt über ihm, und er hörte seinen Vater schreien. Es knallte zweimal - Henry und Robert hatten geschossen. Und nun schoß auch Jay, doch im selben Moment traf ein schwerer Stiefel den Lauf seines Gewehrs und riß ihn nach oben. Die Kugel ging in die Luft und richtete keinen Schaden an. Furcht und Schuldbewußtsein überkamen Jay. Er sah auf und blickte in das wutverzerrte Gesicht von Sir George.
    »Du mieser kleiner Mordbube«, sagte sein Vater.

Kapitel 7
    DER TAG IM FREIEN hatte Lizzie sehr müde gemacht. Kurz nach dem Abendbrot ließ sie die anderen wissen, daß sie zu Bett gehen wolle. Da Robert gerade nicht im Zimmer war, sprang Jay höflich auf, um ihr den Weg nach oben mit einer Kerze zu beleuchten. Kaum hatten sie die steinerne Treppe betreten, sagte er leise: »Wenn Sie wollen, bringe ich Sie in die Kohlegrube.«
    Mit einem Schlag war Lizzie wieder hellwach. »Ist das Ihr Ernst?«
    »Selbstverständlich. Ich verspreche nichts, was ich nicht halten kann.« Er grinste. »Trauen Sie sich?«
    Lizzie war Feuer und Flamme. Das war ein Mann nach ihrem Herzen. »Und ob ich mich traue!« sagte sie. »Wann geht's denn los?«
    »Noch heute nacht. Die Hauer beginnen um Mitternacht mit der Arbeit, die Träger ein oder zwei Stunden später.«
    »Tatsächlich?« Lizzie konnte das nicht verstehen. »Warum arbeiten sie nachts?«
    »Sie arbeiten auch tagsüber. Die Arbeitszeit der Träger endet am Spätnachmittag.«
    »Da bleibt ihnen ja kaum Zeit zum Schlafen.«
    »Auf diese Weise kommen sie nicht auf dumme Gedanken.«
    Lizzie kam sich sehr unwissend vor. »Ich habe den größten Teil meines Lebens im Nachbartal verbracht und hatte bislang keine Ahnung, daß die Kumpel so lange arbeiten müssen.« Sie fragte sich, ob McAsh recht behalten und ein Besuch in der Grube ihre bisherige Meinung über die Bergarbeiter auf den Kopf stellen würde.
    »Halten Sie sich um Mitternacht bereit«, sagte Jay. »Sie müssen sich wieder als Mann verkleiden. Haben Sie die Sachen noch griffbereit?«
    »Ja.«
    »Verlassen Sie das Haus durch die Küchentür, und kommen Sie dann rüber auf den Stallhof. Ich werde dort mit zwei  gesattelten Pferden auf Sie warten.«
    »Das ist wahnsinnig aufregend!« sagte Lizzie.
    Jay überließ ihr die Kerze. »Bis Mitternacht!« flüsterte er.
    Lizzie ging in ihr Schlafzimmer. Ihr fiel auf, daß Jay sich wieder gefangen hatte und guten Mutes war. Oben auf dem Berg hatte es erneut eine heftige Auseinandersetzung zwischen ihm und seinem Vater gegeben. Niemand hatte mitbekommen, worum genau es gegangen war - sie hatten sich ja alle auf die Hirschjagd konzentriert. Jay hatte seinen Hirsch verfehlt, und Sir George war auf einmal ganz weiß im Gesicht gewesen vor Wut. In der Aufregung des Augenblicks war man dann aber auch über diesen Streit rasch hinweggegangen. Lizzie hatte ihren Hirsch mit einem sauberen Blattschuß erlegt. Sowohl Robert als auch Henry hatten die ihnen zugedachten Tiere aber nur angeschossen. Roberts Hirsch war noch ein paar Meter gelaufen und dann zusammengebrochen, so daß sein Jäger ihm mühelos den Fangschuß geben konnte. Henrys Hirsch war dagegen geflohen und erst nach einer Weile von den Hunden aufgespürt worden. Jay war nach der Jagd still und verschlossen gewesen und hatte erst jetzt wieder zu seiner alten Lebendigkeit und Liebenswürdigkeit zurückgefunden.
    Lizzie schlüpfte aus ihrem Kleid, den Unterröcken und den Schuhen. Dann wickelte sie sich in eine Decke und setzte sich vor das prasselnde Feuer. Jay ist

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