Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
Vom Netzwerk:
Eine gewisse Beklommenheit stieg in ihr auf, doch  Lizzie unterdrückte sie. Auf jeden Fall weiß ich bald, wie es da unten aussieht, dachte sie, und McAsh kann mich nicht mehr mit meiner Unwissenheit aufziehen…
    Nach ungefähr einer Stunde kamen sie an einer kleinen Halde vorbei. Die dort lagernde Kohle stand zum Verkauf. »Wer da?« bellte eine Stimme, und ein Aufseher mit einem Wachhund an der Leine tauchte im Lichtkreis von Jays Laterne auf. Ursprünglich waren die Aufseher als Wildhüter tätig gewesen, in dem Versuch, die Wilderei in Griff zu bekommen, doch inzwischen kümmerten sich viele von ihnen um die Aufrechterhaltung der Disziplin auf dem Grubengelände und bewachten die Halden gegen Kohlediebe.
    Jay hob die Laterne, so daß der Aufseher sein Gesicht sehen konnte.
    »Ich bitte um Entschuldigung, Mr. Jamisson, Sir…«, stotterte der Mann.
    Sie ritten weiter. Der Schachteingang war nur daran erkennbar, daß da ein Pferd unermüdlich im Kreis herum trottete und eine Trommel drehte. Beim Näherkommen sah Lizzie, daß die Trommel ein Seil aufspulte, das Wassereimer aus der Grube zog., »Es steht immer Wasser in der Grube«, erklärte Jay. »Es sickert aus der Erde.« Die alten Holzeimer leckten und verwandelten den Boden um den Schacht in einen tückischen Morast aus Schlamm und Eis.
    Sie banden die Pferde an und begaben sich zum Eingang. Der Schacht war ungefähr sechs Quadratfuß breit und von einer steilen, im Zickzack abwärts führenden Holztreppe gesäumt,  deren unteres Ende nicht zu sehen war.
    Ein Geländer fehlte.
    Der Schreck fuhr Lizzie durch Mark und Bein. »Wie tief ist  es?« fragte sie mit zitternder Stimme.
    »Um die fünfundsechzig Meter, wenn ich mich recht entsinne«, sagte Jay.
    Lizzie schluckte heftig. Wenn ich jetzt einen Rückzieher mache und Sir George und Robert erfahren davon, werden sie sich bestätigt fühlen, dachte sie. ›Ein Kohlebergwerk ist nicht der richtige Ort für eine Lady‹, wird es dann wieder heißen… Die Vorstellung war ihr unerträglich. Da stieg sie schon lieber auf einer geländerlosen Treppe fünfundsechzig Meter in die Tiefe.
    Sie biß die Zähne zusammen und fragte: »Worauf warten wir noch?«
    Jay mochte ihre Angst gespürt haben, aber er verzichtete auf einen Kommentar. Er ging voran und beleuchtete die Treppe für sie. Lizzie klopfte das Herz bis zum Hals, als sie ihm folgte. Nach wenigen Stufen sagte er: »Legen Sie doch die Hände auf meine Schultern, das gibt Ihnen mehr Sicherheit.« Dankbar nahm sie das Angebot an.
    In der Schachtmitte stießen die wassergefüllten Holzeimer, die hinaufgezogen wurden, gegen die leeren, die nach unten sanken, wodurch Lizzie des öfteren einen eiskalten Guß abbekam. Sie sah sich schon auf den glatten Stufen ausrutschen und kopfüber in den Schacht stürzen, sah ihren Körper immer wieder mit den Eimern kollidieren und Dutzende von ihnen umkippen; ja, sie hatte bereits eine sehr drastische Vorstellung von ihrer zerschmetterten Leiche am Grunde des Schachts.
    Nachdem sie schon eine ganze Weile unterwegs waren, gönnte Jay ihnen eine Verschnaufpause. Obwohl sich Lizzie viel auf ihre körperliche Leistungsfähigkeit zugute hielt, ging ihr Atem schwer, und die Beine taten ihr weh. Um sich ihre Müdigkeit nicht anmerken zu lassen, begann sie ein Gespräch.
    »Sie kennen sich im Bergbau offenbar recht gut aus. Sie wissen, wie tief die Schächte sind, wo das Wasser herkommt und so weiter.«
    »Bei uns in der Familie wird ständig über den Kohlebergbau geredet. Er ist ja unsere wichtigste Einnahmequelle. Außerdem habe ich vor sechs Jahren einmal einen ganzen Sommer lang Harry Ratchett begleitet, den Obersteiger. Mutter wollte, daß ich mich auskenne. Sie hoffte, Vater würde mir eines Tages die Leitung der Gruben übertragen. War natürlich eine alberne Fehlspekulation!«
    Lizzie bedauerte ihn aufrichtig.
    Sie gingen weiter. Einige Minuten später endete die Treppe auf einer kleinen Plattform, von der aus zwei waagerechte Stollen abzweigten. Der Einstiegsschacht unterhalb der Plattform stand unter Wasser. Er wurde zwar von den Eimer kontinuierlich ausgeschöpft, bekam aber durch unterirdische Wasseradern unablässig neuen Zufluß. Mit einer Mischung aus Furcht und Neugier starrte Lizzie in die schwarze Finsternis der beiden Tunnel.
    Jay verließ die Plattform, betrat einen der Seitenstollen und nahm Lizzies Hand. Sein Griff war fest und trocken. Als die junge Frau ihm folgte, hob er ihre Hand an seine Lippen und

Weitere Kostenlose Bücher