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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Sohn von Lady Jamisson zu sein, hatte er sich törichtem Wunschdenken hingegeben. Diesmal, hatte er gedacht, wird Vater fair sein… Aber er ist niemals fair und wird es niemals sein…
    Wie gerne wäre er der einzige Sohn von Sir George gewesen! Er wünschte Robert zur Hölle. Käme er heute bei einem Jagdunfall ums Leben, wäre ich fein heraus… Aber habe ich überhaupt die Chuzpe, ihn zu töten?
    Er tastete nach dem Lauf des Gewehrs, das an einem Riemen über seiner Schulter hing. Man kann es so anstellen, daß es wie ein Unfall aussieht, dachte er. Wenn alle gleichzeitig schießen, läßt sich nachher kaum noch sagen, aus welcher Richtung der tödliche Schuß gekommen ist. Und selbst, wenn sie sich die Wahrheit denken können, werden sie die Sache vertuschen. Nichts fürchtet diese Familie so sehr wie einen Skandal…
    In seinen Tagträumereien ermordete er seinen Bruder, und als er sich der Ungeheuerlichkeit dieser Gedanken bewußt wurde, überkam ihn ein wohliger Schauer. Wenn Vater mich fair behandelt hätte, wäre ich nie auf solche Gedanken gekommen, dachte er.
    Das Jamissonsche Anwesen unterschied sich kaum von anderen kleinen schottischen Landgütern. In den Talgründen gab es ein wenig Ackerland, das von den Pächtern nach dem Prinzip der mittelalterlichen Dreifelderwirtschaft gemeinschaftlich bebaut wurde. Die Pächter bezahlten den Grundherrn in Naturalien. Der größte Teil des Guts bestand aus hügeligem Waldland, das nur zum Jagen und Fischen taugte. Einige Grundbesitzer hatten den Wald gerodet und versuchten nun ihr Glück mit der Schafwirtschaft. Reich wurde niemand so schnell als schottischer Landadeliger - es sei denn, er fand Kohle auf seinem Grund und Boden.
    Sie waren ungefähr drei Meilen weit geritten, als die Wildhüter oberhalb der Baumgrenze auf einem nach Süden geneigten Hang ein Rudel von zwanzig oder dreißig Hirschkühen entdeckten. Die Jagdgesellschaft machte halt, und Jay zog sein Fernglas heraus. Die Tiere waren noch etwa eine halbe Meile entfernt, und der Wind blies aus ihrer Richtung. Wie immer ästen sie mit der Nase im Wind, so daß Jay in seinem Glas die weißen Spiegel aufblitzen sah.
    Hirschkühe hatten sehr schmackhaftes Fleisch, doch jagte man der prächtigen Geweihe wegen lieber die großen männlichen Tiere. Jay suchte den Berghang hinter den Hirschkühen ab und entdeckte schon bald, was er suchte. »Seht!« rief er aus und deutete in die entsprechende Richtung. »Zwei Hirsche nein, drei! Oberhalb des Rudels!«
    »Ich sehe sie«, sagte Lizzie, »gleich hinter der ersten Kuppe. Und dahinter steht noch ein vierter, man sieht bloß das Geweih!«
    Ihr Gesicht war vor Aufregung gerötet, was sie noch hübscher machte. Sie war hier in ihrem Element - mit Pferden und Hunden draußen im Gelände, voller Energie und jederzeit zu wagemutigen und ein wenig riskanten Streichen bereit. Jay mußte unwillkürlich lächeln und rückte unruhig auf seinem Sattel hin und her. Allein der Anblick dieses Mädchens genügte, um das Blut eines Mannes in Wallung zu bringen.
    Er sah sich nach seinem Bruder um. Robert fühlte sich offenbar nicht wohl in seiner Haut. Anstatt in der Kälte hier draußen auf dem Pony säße er jetzt lieber in seinem Kontor und berechnete die vierteljährlichen Zinsen auf neunundachtzig Guineen bei einer Rate von dreieinhalb Prozent per annum, dachte Jay. Und einen solchen Mann soll Lizzie heiraten? Was für ein verschwendetes Leben…
    Er versuchte sich die beiden aus dem Kopf zu schlagen und konzentrierte sich wieder auf das Wild. Mit dem Fernrohr suchte er den Hang nach möglichen Pirschwegen ab. Um zu vermeiden, daß die Tiere die menschliche Witterung aufnahmen, durfte man sich ihnen nur im Gegenwind nähern. Am besten war es, wenn man von oben kam. Wie das Übungsschießen gerade erst wieder bestätigt hatte, war es fast unmöglich, einen Hirsch auf eine Distanz von über hundert Metern zu treffen. Fünfzig Meter waren die ideale Entfernung. Das ganze Geheimnis der Hirschjagd lag also darin, daß man sich möglichst nahe an die Beute heranschlich.
    Lizzie hatte sich bereits eine Strecke ausgedacht. »Vor ungefähr einer viertel Meile sind wir an einer tief eingeschnittenen Bachschlucht vorbeigekommen«, sagte sie. »Dort können wir unbemerkt aufsteigen und dann über den Kamm weiter.«
    Sir George war einverstanden. Er ließ sich nicht oft etwas sagen - doch wenn, dann am ehesten von einem hübschen Mädchen.
    Sie machten kehrt, ließen am unteren Ende der

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