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Die Brücken Der Freiheit: Roman

Die Brücken Der Freiheit: Roman

Titel: Die Brücken Der Freiheit: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ken Follett
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Stier aufs rote Tuch, und trug eine Tür die Aufschrift »Kein Zutritt«, so mußte sie sie öffnen - sie konnte einfach nicht anders. Ihre Neugier war so stark wie ihre Sinnlichkeit. Sie zu unterdrücken fiel ihr so schwer, wie Jay nicht mehr zu küssen.
    Doch der Hauptgrund für ihr Kommen war McAsh. Er hatte sie schon immer interessiert. Schon der kleine Junge war anders gewesen als seine Altersgenossen: ein unabhängiger, ungehorsamer, störrischer Kopf, der alles in Frage stellte, was man ihm sagte. Der erwachsene Mack erfüllte die Erwartungen. Er hatte den Jamissons die Stirn geboten. Inzwischen war es ihm gelungen, aus Schottland zu fliehen - was nur wenigen Bergarbeitern gelang - , und er hatte in London Fuß gefaßt. Jetzt war er hier als Preisboxer beschäftigt. Was hatte er wohl als nächstes im Sinn?
    Sir Georges Entscheidung, ihn laufen zu lassen, war sehr vernünftig, dachte sie. Daß es unter den Menschen Herren und Knechte gab, entsprach, wie Jay schon gesagt hatte, der Absicht Gottes, nur würde ein McAsh das niemals akzeptieren. Daheim wäre er auf Jahre hinaus ein ständiger Unruheherd gewesen. McAsh hatte eine magnetische Ausstrahlung, die andere Leute dazu bewegte, sich bereitwillig seiner Führung unterzuordnen. Da waren die stolze Haltung seines kraftvollen Körpers, die zuversichtliche Neigung seines Kopfes, der scharfe Blick seiner auffallend grünen Augen. Lizzie selbst war dieser Ausstrahlung erlegen: Sie hatte sie in den Pelikan gezogen.
    Eine der geschminkten Damen setzte sich neben sie und lächelte ihr anzüglich zu. Trotz des Rouges auf ihrem Gesicht wirkte sie alt und müde. Wäre ein tolles Kompliment für meine Verkleidung, wenn eine Hure mir einen Antrag machen würde, dachte Lizzie.
    Doch die Frau ließ sich nicht täuschen. »Ich weiß, was du bist«, sagte sie.
    Frauen haben schärfere Augen als Männer, dachte Lizzie ernüchtert. »Verrat's nicht!« bat sie.
    »Du kannst bei mir den Mann spielen«, sagte die Hure. »Kostet einen Shilling.«
    Lizzie verstand das nicht.
    »Ich hab' das schon öfter mit deinesgleichen gemacht«, fuhr die Frau fort. »Reiche Mädchen, die gerne mal den Mann spielen wollen. Hab' ne dicke Kerze zu Hause, genau richtig dafür. Du weißt doch, was ich meine, oder?«
    Langsam dämmerte es Lizzie, worauf die Frau hinauswollte. »Nein, danke«, sagte sie lächelnd. »Deswegen bin ich nicht hier.« Sie fingerte eine Münze aus ihrer Tasche. »Hier, ein Shilling dafür, daß du mein Geheimnis bewahrst.«
    »Gott segne das gnädige Fräulein«, sagte die Hure und trollte sich.
    In Verkleidung kann man eine ganze Menge lernen, dachte Lizzie bei sich. Von allein wäre ich nie darauf gekommen, daß Prostituierte besondere Kerzen besitzen für Frauen, die gerne den Mann spielen… Von solchen Dingen erfuhr eine Lady ihr Lebtag lang nichts - es sei denn, sie brach aus der feinen Gesellschaft aus und erforschte auf eigene Faust die Welt jenseits ihres goldenen Käfigs.
    Draußen im Hof ertönte Jubelgeschrei. Offenbar stand die Siegerin im Frauenkampf fest - die letzte Frau, die sich noch auf den Füßen hielt. Lizzie ging hinaus und nahm ihren Bierkrug mit. Sie trug ihn wie ein Mann in der herabhängenden Hand, den Daumen über den Rand geklemmt.
    Die Gladiatorinnen taumelten von dannen oder wurden weggetragen. Die Veranstaltung strebte ihrem Höhepunkt entgegen. Lizzie erkannte McAsh sofort. Die grünen Augen waren unverwechselbar. Seine Haut war nicht mehr von Kohlestaub geschwärzt, und die blonde Farbe seines Haars wareine regelrechte Überraschung für Lizzie. McAsh stand am Ring und unterhielt sich mit einem anderen Mann. Ab und zu fiel sein Blick auf Lizzie, ohne aber ihre Verkleidung zu durchschauen. Er machte einen finster entschlossenen Eindruck.
    Sein Gegner, Rees Preece, verdiente seinen Spitznamen »der walisische Berg«: Er war der größte Mann, den Lizzie je gesehen hatte, gut dreißig Zentimeter größer als Mack, dazu schwer und rotgesichtig. Der krummen Nase war anzusehen, daß sie schon mehr als einmal gebrochen war, und das Gesicht verriet Boshaftigkeit und Verschlagenheit. Lizzie bewunderte den Mut - oder die Dummheit - eines jeden, der freiwillig mit einem solchen Unhold in den Ring stieg. Und sie hatte Angst um McAsh. Ein Schauer des Entsetzens durchfuhr sie, als ihr der Gedanke durch den Kopf schoß, Mack könne verstümmelt oder sogar umgebracht werden - nein, das wollte sie nicht mit ansehen. Am liebsten wäre sie sofort gegangen, aber

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