Die Brücken Der Freiheit: Roman
langsamer, aber auch immer brutaler. Die Männer schienen nicht mehr die Kraft zu haben, den Schlägen des Gegners auszuweichen, und nahmen sie daher mit stummer Leidensmiene hin. Wie lange konnten sie das gnadenlose Getrommel auf ihre nahezu gefühllosen Leiber noch aushalten? Lizzie fragte sich, warum sie sich solche Sorgen um McAshs Aussehen machte, und redete sich ein, daß es sich wohl um ganz gewöhnliches Mitgefühl mit einem geschundenen Körper handeln mußte.
Eine zweite Pause unterbrach den Kampf. Der Ire kniete neben Macks Hocker. Er redete heftig auf ihn ein und unterstrich seine Instruktionen durch lebhafte Gesten mit der Faust. Lizzie konnte sich denken, daß er Mack noch einmal zum entschlossenen tödlichen Nachsetzen aufforderte. Selbst ihr war klar, daß Preece in einem reinen Kampf um Kraft und Ausdauer die Oberhand behalten würde - einfach weil er größer war und besser einstecken konnte. Warum erkannte Mack das nicht?
Die dritte Runde begann. Während die beiden Kämpfer aufeinander einschlugen, erinnerte sich Lizzie an einen Vorfall aus der Zeit, in dem Malachi McAsh sechs Jahre alt gewesen war. Sie spielten auf dem Rasen vor High Glen House, und sie, Lizzie, hatte ihn bei einer Keilerei so heftig an den Haaren gezogen, daß er zu weinen begonnen hatte. Die Erinnerung an diese Szene ließ ihr die Tränen in die Augen steigen.
Im Ring ging es plötzlich wieder hoch her. Preece mußte ein, zwei, drei schwere Schläge einstecken. Dann traf ihn ein Tritt an den Oberschenkel und ließ ihn ins Taumeln geraten. Lizzie sah ihn schon zusammenbrechen, doch die Hoffnung trog. Im entscheidenden Augenblick hielt sich Mack zurück und wartete darauf, daß der Riese in die Knie ging. Auf die blutrünstigen Schreie der Zuschauer und die Ratschläge seiner Sekundanten, die ihn lauthals aufforderten, seinem Gegner den Rest zu geben, ging er nicht ein.
Und so gelang es Preece zu Lizzies Entsetzen auch diesmal wieder, neue Kräfte zu sammeln. Urplötzlich schlug er Mack in die Magengrube. Der beugte sich unwillkürlich vor und rang nach Luft, worauf Preece ihm mit aller Kraft, die seine breiten Rückenmuskeln hergaben, einen Kopfstoß versetzte. Es gab ein grauenvolles knirschendes Geräusch, als die beiden Schädel aufeinanderprallten. Die Zuschauer hielten den Atem an.
Mack taumelte und fiel. Preece trat ihm mit dem Fuß seitwärts gegen den Schädel. Macks Beine versagten den Dienst, er brach zusammen. Er lag bereits flach auf dem Boden, als Preece ihm noch einmal gegen den Kopf trat. Mack rührte sich nicht mehr. Lizzie hörte sich schreien: »Laß ihn, laß ihn!«
Erst nach einem weiteren Tritt sprangen die Sekundanten beider Kämpfer in den Ring und zerrten Preece von seinem Opfer fort.
Der Riese stand da wie belämmert, als könne er einfach nicht begreifen, warum ihn dieselben Leute, die ihn eben noch mit blutrünstigen Parolen angefeuert hatten, nun daran hinderten, sein Werk zu vollenden. Doch dann kam er wieder zu Sinnen, hob in einer Geste des Triumphs die Arme und strahlte dabei wie ein Hund, der seinem Herrn eine Freude gemacht hat.
Lizzie fürchtete, daß Mack die Tortur nicht überlebt hatte. Sie drängte sich durch die Menge und trat in den Ring. Neben dem am Boden Liegenden kniete der irische Sekundant. Das Herz klopfte Lizzie bis zum Hals, als sie sich über Mack beugte. Seine Augen waren geschlossen, doch er atmete. »Gott sei Dank!« rief sie. »Er lebt!«
Der Ire sah kurz zu ihr auf, sagte aber nichts. Lizzie betete zum Himmel, daß Mack keine dauerhaften Schäden davongetragen hatte. So viele Schläge gegen den Kopf, wie er sie in der vergangenen halben Stunde hatte einstecken müssen, erlitten die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben nicht. Lizzie hatte entsetzliche Angst, er könne fortan als sabbernder Idiot dahinvegetieren.
Da öffnete Mack die Augen.
»Wie fühlen Sie sich?« fragte Lizzie.
Anstatt zu antworten, schloß er die Augen wieder.
Der Ire starrte sie an und sagte: »Wer sind Sie eigentlich, Sie männlicher Sopran?« Sie hatte vergessen, ihre Stimme zu verstellen.
»Ein Freund«, sagte sie. »Kommen Sie, tragen wir ihn ins Haus. Er darf nicht hier im Dreck liegen bleiben.«
Nach kurzem Zögern willigte der Mann ein und faßte Mack unter die Arme. Zwei Zuschauer ergriffen die Beine.
Sie hoben Mack hoch und schleppten ihn unter Lizzies Führung ins Gasthaus. Mit ihrer arrogantesten Männerstimme, rief Lizzie: »He, Wirt, zeigen Sie mir Ihr bestes Zimmer,
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