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Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Die Brückenbauer: Roman (German Edition)

Titel: Die Brückenbauer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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entscheidenden Frage: Wer sind Sie selbst?«
    Christa zögerte und sah Ingeborg fragend an. Diese nickte so aufmunternd, wie sie es nur wagte. Christa holte tief Luft, sie schien verstanden zu haben, worum es ging.
    »Ich bin Christa Freiherrin von Moltke«, sagte sie. »Aber nicht von den preußischen, sondern von den sächsischen von Moltkes. Ist das als Antwort ausreichend?«
    »Das ist mehr als ausreichend«, sagte Walther Knobe.
    Die beiden Freundinnen fielen sich in die Arme.

    Wer die beiden eleganten Damen beim Sonntagsspaziergang an diesem sonnigen, aber kalten Märztag beobachtete, zweifelte keine Sekunde daran, welcher gesellschaftlichen Schicht sie angehörten. Ihre Kleidung sprach Bände. Flache, helle Hüte mit breiten Krempen. Statt langer schwarzer Mäntel trugen sie kürzere Jacken mit Pelzkrägen und Kleider in Pastellfarben. Aber niemand, wirklich niemand in ihrer Umgebung hätte auch nach tausend Versuchen ihr Gesprächsthema erraten können.
    »Ich habe den Kelch der Revolution bis zum letzten Tropfen geleert. Er schmeckte nach Blut«, fasste Christa zusammen.
    Sie hatten in all den Jahren Hunderte von Briefen gewechselt, und ihre Auseinandersetzungen waren so tief
greifend gewesen, dass sie die innigsten Freundschaftsbande hätten sprengen können, jedoch nicht die ihren.
    Ingeborg war Sozialdemokratin und hatte in der Frage, wie die Macht des Volkes etabliert werden sollte, nie nachgegeben. Für sie gab es nur eine Alternative: allgemeines Wahlrecht auch für Frauen.
    Christa war in den letzten Jahren Bolschewistin geworden. Sie war der Meinung, dass die Macht des Volkes nur durch Arbeiter-und Soldatenräte etabliert und gegen den unvermeidlichen Gegenangriff der Bourgeoisie nur durch eine Volksmiliz verteidigt werden könne.
    Diese Methode hatte sie nun erprobt, als die Revolution in Berlin niedergeschlagen worden war. Sie war nicht so unschuldig, wie der unterwürfige und sich viele Male verbeugende Gefängnisdirektor angenommen hatte, als sie vor einigen Tagen aus der Haftanstalt marschiert waren.
    Mehrere Dinge hatten sie umdenken lassen. Erstens hatte der missglückte Spartakistenaufstand, also der Revolutionsversuch, gezeigt, dass sie eine unbedeutende Minderheit waren. Die Bürgerwehren, die sie die Straßen hinauf-und hinuntergejagt hatten, hatten keinesfalls nur aus Kapitalisten mit Zylindern und alten Landjunkern bestanden.
    So gesehen war das Problem einfach. Die Mehrheit eines Volkes, das jahrhundertelang unterdrückt worden war wie in Russland, war sicher zu einer Revolution fähig.
    Aber keine Minderheit wie die in Deutschland.
    So sahen ihre ideologischen Schlussfolgerungen aus. Auf einer anderen, weiblichen Ebene war ihre Glut durch die Art, wie die Männer die Frauen behandelten, erloschen.
Von der Genossin Christa wurde erwartet, dass sie die Männer bediente. Die Genossen, die ihre Abstammung kannten, schienen das besonders zu genießen, und sie hatte sich ärgerlicherweise viel zu lange damit abgefunden.
    Selbst wenn es darum ging, den Genossen sexuelle Dienste zu erweisen. Die »freie Liebe«, von der alle sprachen, war nur ein ideologisches Feigenblatt für die Sehnsucht der Männer nach allgemeiner Promiskuität.
    »Herr Künstler«, wie sie ihn inzwischen nur noch nannte, hatte nach einiger Zeit damit begonnen, sie wie eine von der Oberklasse eroberte Trophäe zu behandeln. Mit langen ideologischen Vorträgen hatte er glaubhaft machen wollen, dass es eine Geste der Solidarität wäre, sie an andere auszuleihen.
    Sie hatte zwei illegale Abtreibungen durchführen lassen, da sie nicht gewusst hatte, wer der Vater war.
    Dass Herr Künstler zu den Gefallenen gehörte, betrauerte sie nicht besonders. Das mochte gefühlskalt erscheinen, so über beide Ohren verliebt, wie sie einmal gewesen war, aber als sie in dem wunderbaren Sommer vor zwölf Jahren aus Kiel ausgerissen war, war sie glücklicher als jemals zuvor gewesen. Zumindest jene Auflehnung war berechtigt gewesen. Oder? Hätte Ingeborg nicht dasselbe getan, wenn ihr Vater weiter stur geblieben wäre?
    »Doch, ganz sicher«, gab Ingeborg zu. »Ganz sicher. Komm, wir setzen uns auf eine Bank. Ich habe ein paar Fragen.«
    Sie nahmen auf einer grünen Gusseisenbank Platz, weit genug voneinander entfernt, um deutlich zu machen, dass für eine weitere Person kein Platz mehr war. Die Berliner konnten überraschend aufdringlich sein.
    Ingeborgs Fragen betrafen nun nicht mehr die Politik. In dieser Hinsicht glaubte sie, genug zu

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