Die Brüder Karamasow
schrecklich zum Dank dafür, daß Sie mir so schnell erlaubt haben, Sie nicht zu lieben.«
»Wozu haben Sie mich heute rufen lassen, Lisa?«
»Ich wollte Ihnen einen Wunsch mitteilen. Ich möchte, daß mich jemand quält. Mich heiratet und dann quält. Daß er mich betrügt, verläßt und davongeht. Ich will nicht glücklich sein!«
»Lieben Sie jetzt die Abweichung von der Ordnung?«
»O ja, ich liebe die Abweichung von der Ordnung. Ich möchte immerzu das Haus anzünden. Ich male mir aus, wie ich es heimlich anzünde, es muß unbedingt heimlich sein. Die Leute versuchen zu löschen, doch es brennt weiter. Ich aber weiß es und schweige. Ach, Dummheiten! Und wie langweilig alles ist!«
Sie winkte angewidert ab.
»Sie leben im Reichtum«, sagte Aljoscha leise.
»Wäre es besser, wenn ich arm wäre?«
»Ja.«
»Das hat Ihnen Ihr verstorbener Mönch gesagt. Es ist aber nicht wahr. Und wenn ich reich bin und alle anderen arm, dann werde ich Konfekt essen und Sahne trinken und den anderen nichts abgeben ... Ach, sagen Sie nichts. Sie haben mir das alles schon früher gesagt, ich weiß das alles auswendig. Es ist langweilig. Wenn ich arm wäre, würde ich jemand totschlagen, und auch wenn ich reich sein werde, schlage ich vielleicht jemand tot – wozu so still dasitzen! Wissen Sie, ich will mähen, Roggen mähen. Ich werde Sie heiraten, und Sie werden Bauer, ein richtiger Bauer, wir werden ein Füllen haben, wollen Sie? Kennen Sie Kalganow?«
»Ja.«
»Er geht und träumt. Er sagt: ›Wozu soll man in der Wirklichkeit leben? Es ist schöner zu träumen. Wenn man träumt, kann man sich das Lustigste ausdenken, doch das Leben ist langweilig.‹ Aber er wird ja bald heiraten, er hat mir auch schon eine Liebeserklärung gemacht. Können Sie Kreisel spielen?«
»Ja.«
»Na, sehen Sie, er ist wie ein Kreisel. Man muß ihn in Drehung versetzen und loslassen und mit der Peitsche schlagen, immerzu mit der Peitsche schlagen. Wenn ich ihn heirate, werde ich ihn sein Leben lang wie einen Kreisel behandeln. Sie schämen sich nicht, hier bei mir zu sitzen?«
»Nein.«
»Sie sind sehr verärgert, daß ich nicht von frommen Dingen rede. Aber ich will nicht fromm sein. Was passiert einem denn in der anderen Welt für die größte Sünde? Das müßten Sie doch genau wissen?«
»Gott wird richten«, antwortete Aljoscha und blickte sie unverwandt an.
»Das wäre mir gerade recht. Ich würde hinkommen, und man würde mich richten, und ich würde ihnen allen mitten ins Gesicht lachen. Ich habe schreckliche Lust, ein Haus anzuzünden, Aljoscha, unser Haus, glauben Sie mir das?«
»Warum sollte ich Ihnen das nicht glauben? Es gibt sogar Kinder, zwölfjährige Kinder, die etwas anzünden möchten, und sie tun es auch. Das ist eine Art Krankheit.«
»Das ist nicht wahr! Es mag solche Kinder geben, aber davon spreche ich nicht.«
»Sie halten das Böse für gut, das ist eine vorübergehende Krisis, daran ist vielleicht Ihre frühere Krankheit schuld.«
»Sie verachten mich ja! Ich will einfach nichts Gutes tun, ich will Schlechtes tun! Von Krankheit ist dabei keine Rede.«
»Warum wollen Sie Schlechtes tun?«
»Damit nirgendwo etwas übrigbleibt. Ach, wie schön wäre das! Wissen Sie, Aljoscha, ich nehme mir manchmal vor, furchtbar viel Schlechtes zu tun, lauter häßliche Sachen. Ich werde es lange, ganz lange im stillen tun, und auf einmal werden es alle erfahren. Sie werden mich umringen und mit Fingern auf mich zeigen, und ich werde sie ansehen. Das ist sehr angenehm. Warum ist das so angenehm, Aljoscha?«
»Das ist nun einmal so. Das Bedürfnis, etwas Gutes zu zerstören oder, wie Sie sagten, etwas anzuzünden. Das kommt vor.«
»Ich habe es nicht nur gesagt, ich werde es auch tun.«
»Das glaube ich.«
»Ach, wie ich Sie dafür liebe, daß Sie sagen: ›Ich glaube es.‹! Und Sie lügen ja nie. Aber vielleicht denken Sie, daß ich Ihnen das alles absichtlich sage, um Sie zu ärgern?«
»Nein, das denke ich nicht ... Obgleich vielleicht auch dieses Bedürfnis ein wenig mitwirkt.«
»Ein wenig wohl ... ich sage Ihnen nie die Unwahrheit«, sagte sie, und dabei funkelte in ihren Augen ein eigentümliches Feuer. Was auf Aljoscha den größten Eindruck machte, war ihr Ernst. Keine Spur von Spott und Scherz war jetzt in ihrem Gesicht zu sehen, obgleich Heiterkeit und Spottlust sie früher auch in ihren »ernstesten« Augenblicken nicht verlassen hatten.
»Es gibt Augenblicke, in denen die Menschen das Verbrechen
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