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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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dachte, ich hätte sie zum Lachen gebracht, und die Anfälle würden jetzt vorübergehen, zumal ich selbst beabsichtigte, Iwan Fjodorowitsch wegen seiner sonderbaren heimlichen Besuche das Haus zu verbieten und eine Erklärung von ihm zu verlangen. Aber heute morgen hat sich Lise nach dem Aufwachen über Julija geärgert und sie mit der Hand ins Gesicht geschlagen, denken Sie! Das ist ja ein monströses Verhalten, ich rede meine Dienstmädchen mit ›Sie‹ an! Und eine Stunde danach hat sie Julija wieder umarmt und ihr die Füße geküßt. Mir ließ sie sagen, sie würde überhaupt nicht mehr zu mir kommen, jetzt nicht und in Zukunft nicht, und als ich mich selbst zu ihr hinschleppte, stürzte sie auf mich zu, küßte mich, weinte und drängte mich unter Küssen, ohne ein Wort zu sagen, geradezu hinaus, so daß ich absolut nichts erfahren habe. Jetzt, lieber Alexej Fjodorowitsch, ruhen alle meine Hoffnungen auf Ihnen, und das Schicksal meines ganzen Lebens liegt in Ihren Händen. Ich bitte Sie, zu Lise zu gehen, von ihr alles herauszubringen, wie nur Sie das verstehen, und dann wieder herzukommen und es mir, der Mutter, zu erzählen. Sie werden das begreifen, ich werde einfach sterben, wenn das so weitergeht, oder ich werde aus dem Haus laufen. Ich kann nicht mehr, ich habe Geduld, aber ich kann sie verlieren, und dann ... Dann wird etwas Schreckliches geschehen. Ach, mein Gott, Pjotr Iljitsch, endlich!« rief Frau Chochlakowa, als sie den eintretenden Pjotr Iljitsch Perchotin erblickte, und Ihr ganzes Gesicht erstrahlte plötzlich.
    »Sie kommen so spät! Nun, setzen Sie sich, reden Sie, entscheiden Sie über mein Schicksal! Nun, wie steht es mit diesem Rechtsanwalt? Wohin wollen Sie denn, Alexej Fjodorowitsch?«
    »Ich will zu Lisa.«
    »Ach ja! Also vergessen Sie nicht, worum ich Sie gebeten habe! Davon hängt mein Schicksal ab, mein Schicksal!«
    »Gewiß, ich werde es nicht vergessen, wenn es irgend möglich ist ... Ich habe mich so schon verspätet«, murmelte Aljoscha, sich schnell zurückziehend.
    »Nein, kommen Sie bestimmt wieder zu mir! Bestimmt, nicht ›wenn es möglich ist‹, sonst ist das mein Tod!« rief ihm Frau Chochlakowa nach. Aljoscha aber hatte das Zimmer bereits verlassen.
3. Ein Teufelchen
    Als er bei Lisa eintrat, fand er sie halb liegend auf ihrem Rollstuhl, in dem sie früher gefahren war, als sie noch nicht laufen konnte. Sie machte keine Bewegung, ihn zu begrüßen, sondern sah ihn nur scharf und durchdringend an. Ihr Blick war etwas fieberhaft, ihr Gesicht gelblich. Aljoscha war erstaunt, wie sie sich in den drei Tagen verändert hatte; sie war sogar magerer geworden. Sie reichte ihm nicht die Hand. Er berührte selbst ihre feinen, schlanken Finger, die regungslos auf ihrem Kleid lagen, und setzte sich dann schweigend ihr gegenüber.
    »Ich weiß, daß Sie es eilig haben, ins Gefängnis zu kommen«, sagte Lisa in scharfem Ton! »Aber Mama hat Sie zwei Stunden lang aufgehalten und Ihnen auch gleich die Geschichte von mir und Julija erzählt.«
    »Woher wissen Sie das?« fragte Aljoscha.
    »Ich habe an der Tür gehorcht. Warum sehen Sie mich so an? Ich will horchen, und ich horche, da ist nichts Böses dabei. Ich bitte nicht um Verzeihung.«
    »Hat Sie irgend etwas verstimmt?«
    »Im Gegenteil, ich bin sehr vergnügt. Eben habe ich mir zum dreißigstenmal überlegt: Wie gut, daß ich Ihnen eine Absage erteilt habe und nicht Ihre Frau werde. Sie taugen nicht zum Ehemann. Wenn ich Ihre Frau würde und Ihnen ein Briefchen für meinen Geliebten übergäbe, würden Sie es nehmen und peinlich genau bestellen und mir sogar noch eine Antwort bringen. Und noch mit vierzig würden Sie derartige Briefchen von mir überbringen.«
    Sie lachte plötzlich auf.
    »In Ihnen steckt etwas Boshaftes und zugleich etwas Treuherziges«, sagte Aljoscha lächelnd.
    »Die Treuherzigkeit besteht darin, daß ich mich vor Ihnen nicht schäme. Und ich will mich auch gar nicht schämen, besonders vor Ihnen nicht! Aljoscha, warum achte ich Sie nicht? Ich liebe Sie sehr, aber ich achte Sie nicht. Würde ich Sie achten, würde ich doch nicht so sprechen, ohne mich zu schämen, nicht wahr?«
    »Ja.«
    »Glauben Sie auch, daß ich mich vor Ihnen nicht schäme?«
    »Nein, das glaube ich nicht.«
    Lisa lachte wieder nervös auf, dann sprach sie schnell und hastig weiter! »Ich habe Ihrem Bruder Dmitri Fjodorowitsch Konfekt ins Gefängnis geschickt ... Aljoscha, wissen Sie, Sie sind doch ein netter Mensch! Ich liebe Sie

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