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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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lieben«, sagte Aljoscha nachdenklich.
    »Ja, ja! Da haben Sie meinen eigenen Gedanken ausgesprochen! Man liebt das Verbrechen, alle lieben es, und zwar immer, nicht nur in gewissen Augenblicken. Wissen Sie, es ist, als wären alle einmal übereingekommen, in diesem Punkt zu lügen, und nun lügen sie auch wirklich allesamt. Alle sagen, daß sie das Schlechte hassen, aber im stillen lieben sie es.«
    »Lesen Sie immer noch schlechte Bücher?«
    »Ja. Mama liest sie und versteckt sie unter ihrem Kopfkissen, und da stehle ich sie.«
    »Schämen Sie sich denn nicht, sich selber zu zerstören?«
    »Ich will mich zerstören, ich will es. Hier gibt es einen Jungen, der hat zwischen den Schienen gelegen, während die Waggons über ihn hinwegfuhren. Der Glückliche! Hören Sie, jetzt wird man über Ihren Bruder Gericht halten, weil er seinen Vater totgeschlagen hat – und doch finden es alle gut, daß er es getan hat.«
    »Alle finden es gut, daß er seinen Vater totgeschlagen hat?«
    »Ja, sie finden es gut, alle finden es gut! Alle sagen, das sei schrecklich, aber im stillen finden sie es gut. Ich bin die erste, die es gut findet.«
    »An dem, was Sie da sagen, ist etwas Wahres«, sagte Aljoscha leise.
    »Ach, was haben Sie für Gedanken!« kreischte Lisa entzückt! »Und dabei sind Sie ein Mönch! Sie glauben gar nicht, Aljoscha, wie sehr ich Sie dafür achte, daß Sie niemals lügen. Ich werde Ihnen einen lächerlichen Traum erzählen: Ich träume manchmal von Teufeln. Ich träume, daß es Nacht ist und ich bei einem brennenden Licht in meinem Zimmer sitze, und auf einmal sind überall Teufel, in allen Ecken und unter dem Tisch, sie öffnen die Tür, und hinter der Tür steht ein ganzer Haufen, sie wollen hereinkommen und mich packen. Und sie nähern sich schon und packen mich. Ich aber schlage auf einmal ein Kreuz, da weichen sie zurück, sie fürchten sich. Sie gehen jedoch nicht ganz hinaus, sondern bleiben an der Tür stehen und warten in den Ecken. Und plötzlich bekomme ich gewaltige Lust, laut Gott zu lästern, und tue das auch wirklich. Da dringen sie auf einmal wieder in dichten Scharen auf mich ein, sie freuen sich gewaltig. Und da packen sie mich schon wieder, ich aber schlage ganz schnell noch ein Kreuz – und sie fliehen alle wieder. Das ist sehr lustig; der Atem stockt einem dabei.«
    »Ich habe manchmal denselben Traum gehabt«, sagte Aljoscha plötzlich.
    »Wirklich?« schrie Lisa erstaunt auf! »Hören Sie, Aljoscha, lachen Sie nicht, das ist außerordentlich wichtig! Ist denn das möglich, daß zwei verschiedene Personen ein und denselben Traum haben?«
    »Gewiß ist das möglich.«
    »Aljoscha, ich sage Ihnen, das ist außerordentlich wichtig«, fuhr Lisa maßlos erstaunt fort! »Nicht der Traum ist wichtig, sondern der Umstand, daß Sie dasselbe träumen konnten wie ich. Sie lügen mir nie etwas vor, lügen Sie bitte auch jetzt nicht! Ist das wahr? Machen Sie sich auch nicht über mich lustig?«
    »Es ist wahr.«
    Lisa war ganz ergriffen und schwieg lange.
    »Aljoscha, besuchen Sie mich! Besuchen Sie mich oft!« sagte sie auf einmal flehend.
    »Ich werde immer zu Ihnen kommen, mein ganzes Leben lang!« antwortete Aljoscha mit Festigkeit.
    »Ich sage das alles nur Ihnen«, begann Lisa von neuem! »Ich sage es nur mir selbst und dann noch Ihnen, Ihnen allein in der ganzen Welt. Und ich sage es lieber Ihnen als mir selbst. Ich schäme mich gar nicht vor Ihnen, gar nicht. Aljoscha, warum schäme ich mich gar nicht vor Ihnen? Aljoscha, ist es wahr, daß die Juden zu Ostern Kinder stehlen und schlachten?«
    »Ich weiß es nicht.«
    »Ich habe da ein Buch, darin habe ich von einer Gerichtsverhandlung irgendwo gelesen. Ein Jude hatte einem vierjährigen Jungen erst alle Finger abgeschnitten und ihn dann mit gespreizten Armen an die Wand genagelt. Vor Gericht erklärte er, der Knabe sei bald gestorben, schon nach vier Stunden. ›Bald!‹ Er sagte, das Kind hätte gestöhnt, immerzu gestöhnt, und er hätte dagestanden und sich an dem Anblick geweidet ... Das war schön!«
    »Schön?«
    »Ja, schön. Ich stelle mir manchmal vor, daß ich selbst den Knaben angenagelt habe. Er hängt da und stöhnt, und ich sitze ihm gegenüber und esse Ananaskompott ... Ich esse nämlich Ananaskompott sehr gern. Sie auch?«
    Aljoscha schwieg und blickte sie an. Ihr gelbliches Gesicht verzerrte sich plötzlich, die Augen glühten auf.
    »Wissen Sie, als ich das von den Juden gelesen hatte, habe ich die ganze Nacht so geweint,

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