Die Brüder Karamasow
die Lippen, vor Begehrlichkeit nicht nach Frau Chochlakowa, sondern nach den hundertfünfzigtausend Rubeln. Und er versicherte mir täglich, denn er kommt täglich zu mir, sie werde sich ergeben. Er strahlte nur so vor Freude. Und nun hat sie ihm auf einmal das Haus verboten! Perchotin, Pjotr Iljitsch Perchotin hat den Sieg errungen, ein famoser Bursche! Küssen möchte ich diese Närrin dafür, daß sie diesen Rakitin rausgeschmissen hat! Vorher also war er einmal bei mir und hatte dieses Gedicht verfaßt. ›Zum erstenmal‹, sagte er, ›beschmutze ich meine Hände mit dem Schreiben von Versen; aber ich tue es, um eine Dame zu bezaubern – also zu einem nützlichen Zweck. Wenn ich der Närrin ihr Kapital abgenommen habe, kann ich damit ja dem Gemeinwohl nützen! Das Gemeinwohl dient diesen Leuten zur Rechtfertigung jeder Schändlichkeit!‹ ›Und trotzdem habe ich etwas Besseres geschrieben als dein Puschkin, denn ich habe es verstanden, auch in ein scherzhaftes Gedicht einen weltlichen Schmerz einzuflechten.‹ Was er da von Puschkin sagt, verstehe ich; aber was schadet es, wenn der tatsächlich ein befähigter Dichter war und doch nur Füßchen besungen hat? Wie stolz war Rakitin auf seine Verschen! Eine Eitelkeit besitzen diese Leute! ›Auf die Heilung des kranken Füßchens einer von mir hochverehrten Dame‹, das ist die Überschrift, die er sich ausgedacht hat, der dreiste Kerl!
Ach, das liebe Füßchen ist geschwollen,
und die dienstbeflißnen Ärzte wollen
nun mit Binden und dergleichen Dingen
diesem lieben Füßchen Heilung bringen.
Puschkin pries die Füße holder Schönen
einst begeistert in erhabnen Tönen,
doch wenngleich das Füßchen ich bedaure,
mehr ich dennoch um das Köpfchen traure.
Schon begann das Köpfchen zu begreifen,
welche Wünsche mir im Busen reifen.
Und verständnisvoll zu lächeln schienen
– oh, nicht Täuschung war's! – die teuren Mienen.
Ach, des Köpfchens einziger Gedanke
ist das Füßchen jetzt, das liebe, kranke!
Möge Heilung ihm der Himmel schenken,
und das Köpfchen möge mein gedenken.
Ein gemeiner Kerl ist er, ein grundgemeiner Kerl, aber es ist bei ihm doch ziemlich humoristisch herausgekommen! Und er hat wirklich etwas Weltschmerz eingeflochten. Doch wie wütend er war, als sie ihn ›rausschmiß! Er knirschte geradezu mit den Zähnen!«
»Er hat sich bereits gerächt«, sagte Aljoscha! »Er hat über Frau Chochlakowa einen Zeitungsartikel geschrieben.«
Und Aljoscha erzählte ihm kurz von dem Artikel in der Zeitung »Gerüchte«.
»Das ist er gewesen, das ist er gewesen!« stimmte ihm Mitja, mit finsterer Miene zu! »Diese Artikel kenne ich ... Das heißt, ich weiß, wie viele Gemeinheiten schon geschrieben worden sind, über Gruscha zum Beispiel. Und auch über die andere, über Katja ... Hm!«
Er ging sorgenvoll im Zimmer auf und ab.
»Bruder, ich kann nicht mehr lange hierbleiben«, sagte Aljoscha nach kurzem Schweigen! »Morgen ist für dich ein schrecklicher, ein wichtiger Tag. Gottes Gericht wird sich an dir vollziehen ... Und da wundere ich mich, daß du statt von dem Wichtigsten von wer weiß was redest ...«
»Nein, wundere dich darüber nicht!« unterbrach ihn Mitja hitzig! »Wozu sollen wir von diesem stinkenden Hund, dem Mörder, reden? Davon haben wir beide schon genug gesprochen. Ich will von dem stinkenden Sohn der Stinkenden nichts mehr hören! Gott wird ihn töten, das wirst du sehen! Kein Wort mehr über ihn!«
Er trat in großer Erregung zu Aljoscha und küßte ihn plötzlich. Seine Augen brannten.
»Rakitin würde das nicht begreifen«, fuhr er fort, dabei schien er ganz erfüllt von einer eigenartigen Begeisterung! »Aber du, du wirst alles begreifen. Deswegen habe ich mich so nach dir gesehnt. Siehst du, ich wollte dir hier in diesen kahlen Mauern schon längst vieles mitteilen, doch das Wichtigste habe ich dir verschwiegen. Immerzu schien mir die rechte Zeit dafür noch nicht gekommen. So ist jetzt, vor lauter Warten, der letzte Augenblick da, wo ich dir mein Herz ausschütten kann ... Bruder, ich habe in diesen letzten zwei Monaten einen neuen Menschen in mir gespürt, ein neuer Mensch ist in mir auferstanden! Er war in mir eingeschlossen, und er wäre nie zutage getreten, wäre nicht dieses Unwetter über mich niedergegangen. Es ist furchtbar! Was liegt mir daran, daß ich in den Bergwerken zwanzig Jahre lang Erz klopfen werde – davor fürchte ich mich nicht! Etwas anderes ist es, was mich ängstigt: Dieser auferstandene
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