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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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verstehe es nicht. Für Rakitin ist das Leben eine leichte Sache, er sagte heute zu mir: ›Arbeite lieber an der Erweiterung der sozialen Rechte der Menschheit mit oder wirke wenigstens darauf hin, daß der Fleischpreis nicht steigt! Dadurch kannst du auf einfachere, näherliegende Weise der Menschheit deine Liebe beweisen als durch Philosophien.‹ Ich habe ihm darauf gehörig geantwortet: ›Und du, der du keinen Gott hast, wirst selber noch den Fleischpreis in die Höhe treiben, wenn dir das vorteilhaft ist, und einen Rubel auf die Kopeke aufschlagen!‹ Da wurde er ärgerlich. Denn was ist Tugend? Beantworte du mir diese Frage, Alexej! Ich habe eine Tugend, und der Chinese eine andere – also ist sie etwas Relatives. Oder nicht? Ist sie nicht relativ? Das ist eine heikle Frage! Du wirst mich nicht auslachen, wenn ich sage, daß ich deswegen zwei Nächte nicht geschlafen habe. Ich wundere mich jetzt nur darüber, daß die Leute so dahinleben, ohne daran zu denken. Das kommt von ihrer Geschäftigkeit. Iwan hat keinen Gott. Er hat nur seine Idee. Das geht über mein Fassungsvermögen. Aber er schweigt. Ich glaube, er ist Freimaurer. Ich habe ihn gefragt, er schweigt. Ich wollte an seinem Brunnen einen Schluck Wasser trinken, er schweigt. Nur ein einziges Mal hat er ein Wörtchen gesagt.«
    »Was hat er gesagt?« fragte Aljoscha eilig.
    »Ich sagte zu ihm: ›Dann ist also alles erlaubt, wenn das so ist?‹ Er machte ein finsteres Gesicht. ›Fjodor Pawlowitsch, unser Papa‹, sagte er, ›war ein Schwein, doch geurteilt hat er richtig.‹ Das ist alles, was er mir erwiderte. Weiter sagte er nichts. Das ist hinterhältiger als Rakitins Reden.«
    »Ja«, stimmte ihm Aljoscha bitter zu! »Wann ist er bei dir gewesen?«
    »Davon später. Jetzt noch etwas anderes. Ich habe bisher mit dir fast gar nicht über Iwan gesprochen. Ich schob es bis zum Schluß auf. Sobald diese meine Geschichte hier zu Ende ist und sie das Urteil gefällt haben, werde ich dir etwas erzählen, alles werde ich dir erzählen. Da ist eine seltsame Sache. Und in der sollst du mein Richter sein. Jetzt aber fang nicht davon an, jetzt schweig! Du redest von morgen, von der Gerichtsverhandlung. Doch ob du es glaubst oder nicht – von der weiß ich gar nichts.«
    »Hast du mit diesem Rechtsanwalt gesprochen?«
    »Was kann mir der helfen? Ich habe ihm alles mitgeteilt. Ein Spitzbube, ein Großstädter, ein Bernard! Er glaubt nicht das geringste von dem, was ich sage. Er glaubt, ich hätte den Mord begangen, stell dir das vor! ›Warum sind Sie dann hergekommen, um mich zu verteidigen?‹ habe ich ihn gefragt. Ich spucke auf diese Kerle! Auch einen Arzt hat man gerufen, der soll mich für verrückt erklären. Aber ich dulde das nicht! Katerina Iwanowna will ›ihre Pflicht‹ bis zum Schluß erfüllen. Sie zwingt sich dazu!« Mitja lächelte bitter! »Eine Katze ist sie! Ein grausames Herz hat sie! Sie weiß, daß ich damals in Mokroje über sie gesagt habe, sie sei eine Frau, die eines gewaltigen Zornes fähig ist! Das ist ihr wiedergesagt worden. Ja, die belastenden Aussagen sind zahlreich geworden wie der Sand am Meer! Grigori bleibt bei seiner Aussage. Grigori ist ein ehrenhafter Mann, aber ein Dummkopf. Viele Menschen sind nur deswegen ehrenhaft, weil sie Dummköpfe sind. Das ist ein Gedanke von Rakitin. Grigori ist mir feindlich gesinnt. Manch einen hat man mit größerem Nutzen zum Feind als zum Freund: Das sage ich mit Bezug auf Katerina Iwanowna. Ich fürchte, sie wird vor Gericht von ihrer tiefen Verbeugung nach Empfang der viertausendfünfhundert Rubel erzählen. Restlos wird sie es mir zurückzahlen, bis auf den letzten Heller. Ich will ihr Opfer nicht! Sie wird mich vor Gericht beschämen! Wie soll ich das aushalten! Geh zu ihr, Aljoscha, und bitte sie, sie möchte das vor Gericht nicht sagen. Oder ist das nicht zulässig? Na, zum Teufel, egal, ich werde es schon aushalten! Sie selbst tut mir nicht leid. Sie will es selber so. Wer sich nach eigenem Willen zu Schaden bringt, hat keinen Anspruch auf Mitleid! Ich werde meine Rede halten, Alexej!« Er lächelte wieder bitter! »Nur ... Nur Gruscha, Gruscha, o Gott! Warum nimmt sie jetzt so eine Qual auf sich?« rief er plötzlich unter Tränen! »Der Gedanke an Gruscha tötet mich geradezu! Sie war heute bei mir ...«
    »Sie hat es mir erzählt. Du hast sie heute sehr gekränkt.«
    »Ich weiß. Hol‹ der Teufel meinen verdammten Charakter! Ich war eifersüchtig. Als sie wegging, bereute ich es

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