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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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vorgesungen hatte. Ihr früheres Häuschen hatte sie verkauft, und sie wohnte jetzt mit ihrer Mutter in dieser Hütte; der sterbenskranke Smerdjakow war gleich nach Fjodor Pawlowitschs Tod zu ihnen gezogen. Smerdjakow war es, zu dem sich Iwan Fjodorowitsch jetzt begab, getrieben von einem unvermittelten, unabweisbaren Gedanken.
6. Erster Besuch bei Smerdjakow
    Eigentlich war es seit seiner Rückkehr aus Moskau schon das drittemal, daß Iwan Fjodorowitsch zu Smerdjakow ging, um mit ihm zu sprechen. Zum erstenmal nach der Katastrophe hatte er ihn gleich am Tag seiner Ankunft gesehen und gesprochen; dann hatte er ihn noch einmal, zwei Wochen später, besucht. Doch nach diesem zweiten Treffen stellte er seine Besuche bei Smerdjakow ein; er hatte ihn jetzt schon über einen Monat nicht mehr gesehen und fast nichts von ihm gehört. Aus Moskau war Iwan Fjodorowitsch damals erst am fünften Tag nach dem Tod seines Vaters zurückgekehrt, so daß er dessen Sarg nicht mehr vorfand. Die Beerdigung hatte einen Tag vor seiner Ankunft stattgefunden. Iwan Fjodorowitschs Verspätung entstand dadurch, daß Aljoscha seine Moskauer Adresse nicht genau wußte und erst Katerina Iwanowna befragen mußte, um ein Telegramm absenden zu können, diese nun, ebenfalls in Unkenntnis der richtigen Adresse, telegrafierte an ihre Schwester und ihre Tante, da sie annahm, Iwan Fjodorowitsch hätte ihnen gleich nach seiner Ankunft in Moskau einen Besuch gemacht. Aber er war erst am vierten Tag nach seiner Ankunft zu ihnen gekommen und dann, nachdem er das Telegramm gelesen hatte, natürlich sogleich in unsere Stadt geeilt. Hier war er zuerst mit Aljoscha zusammengetroffen. Nach dem Gespräch mit ihm hatte er sich sehr darüber gewundert, daß Aljoscha nicht einmal einen Verdacht auf Mitja werfen wollte, sondern Smerdjakow als den Mörder bezeichnete, was im schroffen Gegensatz zur Meinung aller anderen Leute in unserer Stadt stand. Nachdem er dann vom Bezirkshauptmann und vom Staatsanwalt nähere Einzelheiten über die Beschuldigung und die Verhaftung gehört hatte, hatte er über Aljoscha noch mehr gestaunt und seine Ansicht nur auf Brudergefühl und Mitleid für Mitja zurückgeführt, denn daß Aljoscha diesen sehr liebte, wußte Iwan. Bei dieser Gelegenheit gleich ein paar Worte über Iwans Gefühle für seinen Bruder Dmitri Fjodorowitsch. Er liebte ihn ganz und gar nicht und hatte höchstens manchmal mit ihm Mitleid; aber auch dieses Mitleid war mit starker Verachtung gemischt, die bis zum Ekel reichte. Mitja war ihm höchst unsympathisch, schon durch sein Äußeres. Für Katerina Iwanownas Liebe zu ihm hatte Iwan nur Entrüstung übrig. Dennoch hatte er den in Untersuchungshaft befindlichen Mitja ebenfalls gleich am Tag seiner Ankunft besucht, und dieses Zusammensein hatte bei ihm die Überzeugung von dessen Schuld nicht verringert, sondern eher noch verstärkt. Er hatte seinen Bruder damals in Unruhe und krankhafter Erregung vorgefunden. Mitja redete viel, aber zerstreut, unzusammenhängend und in scharfem Ton; er beschuldigte Smerdjakow und war überhaupt sehr konfus. Am meisten sprach er von den dreitausend Rubeln, die ihm der Verstorbene angeblich »gestohlen« hatte! »Es war mein Geld, es gehörte mir!« behauptete Mitja! »Selbst wenn ich es gestohlen hätte, wäre ich im Recht gewesen,« Alle gegen ihn sprechenden Beweise bestritt er so gut wie nicht, und wenn er Tatsachen zu seinen Gunsten auslegte, so auch wieder in konfuser, törichter Weise, als wollte er sich vor Iwan oder sonst jemandem gar nicht rechtfertigen; er wurde vielmehr zornig, reagierte auf die Anschuldigungen nur geringschätzig und stolz und schimpfte. Über Grigoris Aussage von der offenen Tür lachte er nur verächtlich und sagte, »der Teufel muß sie aufgemacht haben!«. Irgendeine vernünftige Erklärung für diese Tatsache konnte er jedoch nicht vorbringen. Er brachte es sogar fertig, Iwan Fjodorowitsch bei diesem ersten Besuch zu beleidigen, indem er in rüdem Ton bemerkte, er lasse sich nicht von Personen verdächtigen und verhören, die selber behaupten, daß »alles erlaubt sei«. Überhaupt hatte er sich Iwan Fjodorowitsch gegenüber äußerst unfreundlich benommen. Gleich nach diesem Besuch bei Mitja also hatte sich Iwan Fjodorowitsch damals zu Smerdjakow begeben.
    Schon bei der Heimfahrt aus Moskau hatte er immerzu an Smerdjakow und das letzte Gespräch denken müssen, das er mit ihm am Abend vor seiner Abreise gehabt hatte. Vieles hatte ihn stutzig gemacht,

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