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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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liegen hatte, und nun hat er ihn totgeschlagen! Auch Sie hätten das nicht ahnen können, gnädiger Herr!«
    »Wenn du also selbst sagst, daß es unmöglich war, das zu ahnen, wie konnte ich es dann ahnen und deswegen hierbleiben? Was redest du für konfuses Zeug?« sagte Iwan Fjodorowitsch nach einigem Nachdenken.
    »Sie hätten es schon daraus schließen können, daß ich Ihnen riet, nicht nach Moskau, sondern nur nach Tschermaschnja zu fahren.«
    »Wie kann man daraus etwas schließen!«
    Smerdjakow schien sehr ermüdet zu sein und schwieg wieder lange.
    »Das war aber doch wohl möglich. Wenn ich Sie veranlassen wollte, statt nach Moskau nach Tschermaschnja zu reisen, so war daraus zu ersehen, welchen Wert ich auf Ihre nähere Anwesenheit legte, weil Moskau fern ist und zu erwarten war, daß Dmitri Fjodorowitsch nicht so dreist sein wird, wenn er Sie in der Nähe weiß. Und auch zu meinem eigenen Schutz konnten Sie notfalls schneller dasein, denn ich selbst habe Sie zu diesem Zweck auf Grigori Wassiljewitschs Krankheit hingewiesen und von meiner Angst vor einem epileptischen Anfall gesprochen. Und wenn ich Ihnen von diesen Klopfsignalen erzählt habe, durch die man sich zu dem Verstorbenen Einlaß verschaffen konnte und die Ihr Bruder Dmitri Fjodorowitsch sämtlich von mir erfahren hatte, so habe ich mir gedacht, Sie würden schon selbst auf den Gedanken kommen, daß er sicherlich etwas vorhatte, und würden nicht einmal nach Tschermaschnja fahren, sondern ganz hierbleiben.«
    ›Er redet durchaus logisch, obwohl er stammelt!‹ dachte Iwan Fjodorowitsch. ›Wie kann Herzenstube da von einer Zerrüttung der geistigen Fähigkeiten sprechen?‹ »Du willst mich überlisten, hol‹ dich der Teufel!« schrie er dann wütend.
    »Offen gestanden, ich dachte damals, Sie hätten es schon begriffen«, erwiderte Smerdjakow mit der harmlosesten Miene.
    »Wenn ich es begriffen hätte, wäre ich doch hiergeblieben!« rief Iwan Fjodorowitsch, von neuem auffahrend.
    »Na, ich glaubte, Sie hätten es begriffen und reisten so schnell wie möglich ab, um von der Sünde wegzukommen. Um nur irgendwohin zu fliehen und sich vor der Angst zu retten.«
    »Du dachtest wohl, alle Menschen wären solche Feiglinge wie du?«
    »Verzeihen Sie, ich dachte, Sie wären genauso wie ich.«
    »Allerdings hätte ich es ahnen müssen«, sagte Iwan erregt! »Und ich vermutete auch, daß irgendeine Schweinerei von deiner Seite dahintersteckte ... Aber du lügst, du lügst wieder!« rief er, weil ihm plötzlich etwas einfiel! »Erinnerst du dich, daß du damals an meinen Reisewagen tratest und zu mir sagtest: ›Auch ein kurzes Gespräch mit einem klugen Menschen ist von Vorteil‹? Also hast du dich doch darüber gefreut, daß ich wegfuhr.«
    Smerdjakow seufzte einmal und noch einmal. In seinem Gesicht schien sich eine leichte Röte zu zeigen.
    »Wenn ich mich freute«, sagte er, etwas mühsam atmend, »so nur deswegen, weil Sie eingewilligt hatten, nicht nach Moskau, sondern nach Tschermaschnja zu fahren. Denn das war immerhin näher. Außerdem sagte ich Ihnen diese Worte nicht als Lob, sondern als Vorwurf. Das haben Sie nicht richtig aufgefaßt.«
    »Wieso als Vorwurf?«
    »Weil Sie Ihren eigenen Vater verließen und uns nicht schützen wollten, obwohl Sie ein solches Unglück ahnten! Man konnte nämlich auch mich wegen dieser dreitausend Rubel belangen, als ob ich sie gestohlen hätte.«
    »Hol‹ dich der Teufel!« schimpfte Iwan wieder! »Sag mal, hast du dem Untersuchungsrichter und dem Staatsanwalt von den Klopfsignalen erzählt?«
    »Ich habe alles wahrheitsgemäß angegeben.«
    Iwan Fjodorowitsch wunderte sich wieder im stillen.
    »Wenn ich damals an etwas dachte«, begann er wieder, »so doch nur an irgendeine Abscheulichkeit von deiner Seite. Dmitri war imstande, einen Totschlag zu begehen; daß er eines Diebstahls fähig wäre, habe ich damals nicht geglaubt. Von deiner Seite aber erwartete ich jede Niedertracht. Du selber hast mir gesagt, du könntest einen epileptischen Anfall simulieren; warum hast du das gesagt?«
    »Lediglich aus Offenherzigkeit. Ich habe nie im Leben einen epileptischen Anfall absichtlich simuliert; ich habe nur so gesprochen, um mich vor Ihnen zu rühmen. Aus purer Dummheit. Ich mochte Sie damals sehr und redete zu Ihnen in aller Harmlosigkeit.«
    »Mein Bruder beschuldigt dich geradezu, den Mord und den Diebstahl begangen zu haben.«
    »Was bleibt ihm auch anderes übrig?« versetzte Smerdjakow bitter lächelnd!

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