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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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überaus erregt.
    »Warum setzen Sie mir so zu? Warum quälen Sie mich?« sagte Smerdjakow mit schmerzerfüllter Miene.
    »Hol‹ dich der Teufel! Deine Person ist mir ganz gleichgültig. Antworte auf meine Frage, und ich werde sofort gehen.«
    »Ich habe Ihnen nichts zu antworten!« erwiderte Smerdjakow und schlug die Augen wieder zu Boden.
    »Ich versichere dir, daß ich dich zwingen werde, zu antworten!«
    »Warum beunruhigen Sie sich denn immerzu?« antwortete Smerdjakow und sah ihn wieder an, jetzt aber nicht nur verächtlich, sondern beinahe schon angeekelt! »Etwa weil morgen die Gerichtsverhandlung stattfindet? Es wird Ihnen ja nichts passieren, glauben Sie das doch endlich! Gehen Sie nach Hause, legen Sie sich ruhig schlafen, und haben Sie keine Angst!«
    »Ich verstehe dich nicht ... Was sollte ich denn morgen zu fürchten haben?« fragte Iwan erstaunt, und auf einmal wehte ihn wirklich ein kalter Schauder an.
    Smerdjakow musterte ihn lange.
    »Sie ver-ste-hen nicht?« erwiderte er gedehnt in vorwurfsvollem Ton! »Wie kann es nur einem klugen Menschen Spaß machen, so eine Komödie aufzuführen?«
    Iwan blickte ihn schweigend an. Schon der überraschende, unerhört hochmütige Ton, in dem sein früherer Diener jetzt mit ihm verkehrte, war ungewöhnlich. Dieses Tones hatte er sich sogar das vorige Mal nicht bedient.
    »Ich sage Ihnen, Sie haben nichts zu fürchten. Ich werde nichts gegen Sie aussagen, also wird gegen Sie nichts Belastendes vorliegen. Nun sehen Sie bloß, wie Ihnen die Hände zittern! Warum fahren denn Ihre Finger so hin und her? Gehen Sie nach Hause – Sie haben den Mord nicht begangen.«
    Iwan zuckte zusammen, ihm fielen Aljoschas Worte ein.
    »Ich weiß, daß ich ihn nicht ...«, begann er.
    »Das wis-sen Sie?« unterbrach ihn Smerdjakow.
    Iwan sprang auf und packte ihn an der Schulter! »Sag alles, du ekelhaftes Subjekt! Sag alles!«
    Smerdjakow war nicht im mindesten erschrocken. Er blickte ihn nur mit wildem Haß unverwandt an.
    »Na, wenn ich alles sagen soll: Sie haben den Mord begangen, Sie!« flüsterte er ihm böse zu.
    Iwan ließ sich auf den Stuhl zurücksinken und tat, als überlegte er etwas; dabei lächelte er boshaft.
    »Du redest immer noch von dem, worüber wir das vorige Mal sprachen?«
    »Als Sie das vorige Mal vor mir standen, verstanden Sie alles, und jetzt verstehen Sie es auch.«
    »Ich verstehe nur, daß du verrückt bist.«
    »Daß Ihnen das nicht zum Halse heraushängt! Wir reden hier unter vier Augen; man möchte meinen, wozu sollten wir uns gegenseitig etwas vormachen und Komödie spielen? Oder wollen Sie immer noch die ganze Schuld auf mich wälzen, und das mir mitten ins Gesicht! Sie haben den Mord begangen, Sie sind der Hauptmörder! Ich bin nur Ihr Handlanger gewesen, Ihr treuer Diener. Ich habe nur die Tat nach Ihrer Anweisung ausgeführt.«
    »Ausgeführt? Hast du etwa den Mord begangen?« fragte Iwan. Es überlief ihn kalt.
    Es war ihm, als ob in seinem Gehirn eine Erschütterung stattfände, und ein leises, kaltes Zittern ergriff seinen ganzen Körper. Nun staunte selbst Smerdjakow, wahrscheinlich überraschte ihn Iwans Schrecken schließlich durch seine ungeheuchelte Echtheit.
    »Aber haben Sie denn wirklich nichts gewußt?« fragte er mißtrauisch, wobei er ihm mit einem schiefen Lächeln in die Augen blickte. Iwan sah ihn immer noch an; er schien die Sprache verloren zu haben.
    »Ach, mein Wanka ging nach Piter, und er kommt so bald nicht wieder ...«
    tönte es auf einmal in seinem Kopf.
    »Weißt du was? Ich fürchte, daß du ein Traum bist, daß du als Gespenst vor mir sitzt«, stammelte er.
    »Hier ist kein Gespenst. Hier sind nur wir beide und noch ein gewisser Dritter. Ohne Zweifel ist er jetzt hier, dieser Dritte. Er befindet sich zwischen uns beiden.«
    »Wer ist es? Wer befindet sich hier? Wer ist der Dritte?« fragte Iwan Fjodorowitsch erschrocken, wobei er sich nach allen Seiten umsah und hastig jemanden suchte.
    »Dieser Dritte ist Gott; die Vorsehung selbst. Sie ist jetzt hier neben uns, aber suchen Sie sie nicht, Sie werden sie nicht finden.«
    »Du lügst, wenn du behauptest, daß du den Mord begangen hast!« schrie Iwan wütend! »Du bist entweder verrückt, oder du hast mich zum besten wie das vorige Mal!«
    Smerdjakow erschrak wieder nicht im geringsten; er sah den anderen weiterhin prüfend an. Er konnte sein Mißtrauen noch immer nicht überwinden; noch immer schien ihm, daß Iwan »alles wußte« und sich nur verstellte, um »die

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