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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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hat er nur davon gesprochen. ›Und wenn du wenigstens noch an die Tugend glaubtest‹, sagt er. ›Dann könntest du dir sagen: Mögen sie mir auch nicht glauben, ich werde aus Prinzip hingehen! Aber du bist ja genauso ein Ferkel wie Fjodor Pawlowitsch, und was bedeutet dir schon die Tugend? Wozu dorthin laufen, wenn dein Opfer doch nichts nutzt? Nur weil du selbst nicht weißt, wozu du hingehst! Oh, du würdest viel darum geben, wenn du erfahren könntest, wozu du hingehst. Und hast du dich denn wirklich entschlossen? Du hast dich noch nicht entschlossen. Du wirst die ganze Nacht sitzen und überlegen: Soll ich hingehen oder nicht? Aber du wirst trotzdem hingehen, und du weißt, daß du hingehen wirst. Du weißt selbst, daß die Entscheidung nicht mehr von dir abhängt, wofür du dich auch entscheiden magst. Du wirst hingehen, weil du nicht wagst wegzubleiben. Warum du es nicht wagst – das errate selbst! Das ist ein Rätsel, das ich dir aufgebe!‹ Er stand auf und ging. Du kamst, und er ging. Er hat mich einen Feigling genannt, Aljoscha! Le mot de l'énigme ist, daß ich ein Feigling bin ... ›Nicht solchen ist's vergönnt, sich adlergleich ins hohe Reich des Äthers zu erheben!‹, das fügte er noch hinzu! Und Smerdjakow hat dasselbe gesagt. Totschlagen müßte man ihn! Katja verachtet mich, das sehe ich schon seit einem Monat, und auch Lisa beginnt mich zu verachten! ›Du wirst hingehen, damit sie dich loben!‹ Das ist eine bestialische Lüge! Und auch du verachtest mich, Aljoscha! Jetzt fange ich dich wieder an zu hassen! Auch den Unmenschen hasse ich! Ich will den Unmenschen nicht retten, soll er bei der Zwangsarbeit verfaulen! Eine Hymne hat er angestimmt! Oh, ich werde morgen hingehen! Ich werde vor sie hintreten und ihnen allen ins Gesicht spucken!«
    Außer sich sprang er auf, warf das Handtuch von sich und begann erneut im Zimmer auf und ab zu gehen. Aljoscha mußte an die Worte denken, die er kurz vorher gesprochen hatte: »Ich schlafe sozusagen im Wachen. Ich gehe, rede und sehe, aber ich schlafe,« Genau diesen Eindruck machte er jetzt. Aljoscha verließ ihn nicht. Flüchtig ging ihm der Gedanke durch den Kopf, zum Arzt zu laufen und ihn herzuholen, doch er fürchtete sich, den Bruder allein zu lassen; es war niemand da, dem er ihn hätte anvertrauen können. Schließlich verlor Iwan die Besinnung allmählich ganz. Er redete immer noch weiter, ohne Pause, aber schon ganz verworren. Er sprach sogar die Worte mangelhaft aus und begann auf einmal stark zu schwanken. Aljoscha konnte ihn gerade noch rechtzeitig stützen. Iwan ließ sich zu seinem Bett führen; Aljoscha kleidete ihn mit einiger Mühe aus und legte ihn hin. Er selbst saß noch ungefähr zwei Stunden bei ihm. Der Kranke schlief fest, ohne sich zu rühren; er atmete still und gleichmäßig.
    Aljoscha nahm ein Kissen und legte sich angekleidet auf ein Sofa. Vor dem Einschlafen betete er für Mitja und Iwan. Iwans Krankheit war ihm nun verständlich geworden: ›Das sind die Qualen eines stolzen Entschlusses, das ist ein tiefgründiges Gewissen! Gott, an den er nicht geglaubt hatte, und seine Wahrheit hatten dieses Herz überwunden, das sich noch immer nicht hatte ergeben wollen. Ja‹, ging es Aljoscha durch den Kopf, als er schon auf dem Kissen lag, ›jetzt, da Smerdjakow tot ist, wird Iwans Aussage bei niemand mehr Glauben finden, aber er wird dennoch hingehen und aussagen!‹ Aljoscha lächelte leise: ›Gott wird siegen!‹ dachte er. Entweder wird er auferstehen im Licht der Wahrheit – oder er wird zugrunde gehen im Haß, indem er sich an sich selbst und an allen dafür rächt, daß er einer Sache gedient hat, an die er selbst nicht glaubt!‹ fügte er in Gedanken mit einem bitteren Gefühl hinzu, und er betete wieder für Iwan.
Zwölftes Buch
Ein Justizirrtum
1. Der verhängnisvolle Tag
    Einen Tag nach diesen Ereignissen wurde um zehn Uhr vormittags die Sitzung unseres Bezirksgerichts eröffnet, und es begann die Verhandlung über Dmitri Karamasow.
    Ich sage im voraus, und zwar mit allem Nachdruck: Ich bin, wie ich glaube, bei weitem nicht imstande, alles, was vor Gericht vorging, in der gebührenden Vollständigkeit und in der richtigen Reihenfolge wiederzugeben. Wenn alles vorgetragen und gehörig erläutert werden sollte, würde dazu meines Erachtens ein ganzes Buch, und sogar ein recht umfängliches, erforderlich sein. Darum möge niemand ungehalten sein, wenn ich nur das wiedergebe, was auf mich persönlich einen starken

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