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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Über die Kleinbürger und die Bauern ist überhaupt nichts zu sagen. Die Kleinbürger in unserem Skotoprigonewsk sind ja beinahe selber Bauern, sie pflügen sogar. Zwei von ihnen trugen ebenfalls deutsche Tracht und sahen infolgedessen womöglich schmutziger und unansehnlicher aus als die übrigen vier. So konnte einem wirklich der Gedanke kommen, der zum Beispiel mir bei ihrem Anblick sofort kam: Was können diese Menschen von einer solchen Sache verstehen? Trotzdem zeigten ihre Gesichter einen eigentümlich gespannten, beinahe drohenden Ausdruck; sie sahen streng und finster aus.
    Endlich kündigte der Präsident an, nunmehr komme zur Verhandlung die Sache betreffend die Ermordung des Titularrates a. D. Fjodor Pawlowitsch Karamasow – ich erinnere mich nicht genau, wie er sich damals ausdrückte. Der Gerichtsinspektor erhielt den Befehl, den Angeklagten hereinzuführen. Mitja erschien. Im Saal wurde es ganz still, man hätte eine Fliege hören können. Ich weiß nicht, wie es den anderen ging; aber auf mich machte Mitjas Äußeres einen höchst unangenehmen Eindruck. Die Hauptsache war, daß er wie ein Geck auftrat, in einem nagelneuen Rock. Ich erfuhr später, daß er sich den Rock extra für diesen Tag in Moskau hatte machen lassen bei seinem früheren Schneider, der noch seine Maße hatte. Er trug neue schwarze Glacéhandschuhe und elegante Wäsche. Er kam mit seinen langen Schritten herein, gerade und starr vor sich hin blickend, und setzte sich mit furchtloser Miene auf seinen Platz. Dann erschien sogleich auch der Verteidiger, der berühmte Fetjukowitsch, und ein unterdrücktes Murmeln schien durch den Saal zu gehen. Er war ein langer, hagerer Mensch, mit langen, dünnen Beinen und außerordentlich langen, blassen, schlanken Fingern, mit glattrasiertem Gesicht, schlicht gekämmtem, ziemlich kurzem Haar und schmalen Lippen, die sich bisweilen spöttisch lächelnd verzogen. Dem Äußeren nach zu urteilen, mochte er etwa vierzig Jahre alt sein. Sein Gesicht wäre ganz angenehm gewesen, wenn nicht die ziemlich kleinen, ausdruckslosen Augen auffällig nahe beieinander gestanden hätten, nur durch das schmale Knöchelchen der länglichen Nase getrennt. Kurz, seine Physiognomie hatte eine geradezu frappierende Ähnlichkeit mit einem Vogelkopf. Er trug einen Frack und eine weiße Halsbinde. Ich erinnere mich an die erste Frage, die der Präsident an Mitja richtete, nämlich nach Namen, Stand und so weiter. Mitja antwortete kurz und bündig, aber mit unerwartet lauter Stimme, so daß der Präsident den Kopf schüttelte und ihn verwundert ansah. Darauf wurde das Verzeichnis der Personen verlesen, die zur Verhandlung als Zeugen und Sachverständige vorgeladen waren. Das Verzeichnis war lang; vier von den Zeugen waren nicht erschienen: Miussow, der sich zur Zeit in Paris befand, seine Aussage aber schon bei der Voruntersuchung gemacht hatte, Frau Chochlakowa und der Gutsbesitzer Maximow wegen Krankheit und Smerdjakow wegen plötzlichen Todes, worüber eine polizeiliche Bescheinigung vorlag. Die Mitteilung über Smerdjakow rief im Saal starke Bewegung und erregtes Geflüster hervor. Natürlich hatten im Publikum viele von diesem plötzlichen Selbstmord noch nichts gewußt. Ganz besonders überraschte jedoch das Benehmen Mitjas: Kaum war die Meldung über Smerdjakow gemacht worden, als er plötzlich von seinem Platz aus durch den ganzen Saal schrie: »Dem Hund gebührt ein Hundetod!«
    Ich erinnere mich, wie sein Verteidiger zu ihm hinstürzte und der Präsident sich mit der Drohung an ihn wandte, er werde strenge Maßregeln ergreifen, wenn sich etwas Ähnliches wiederholen sollte. Mitja sagte abgehackt und kopfnickend, doch offenbar ohne irgendwelches Bedauern, mehrere Male halblaut zu seinem Verteidiger: »Ich werde es nicht wieder tun, ich werde es nicht wieder tun! Es ist mir so entfahren! Ich werde es nicht wieder tun!«
    Natürlich beeinflußte dieser Zwischenfall die Meinung der Geschworenen und des Publikums nicht zu seinen Gunsten. Sein Charakter war mit einem Schlag zutage getreten. Unter diesem Eindruck wurde nun vom Gerichtssekretär die Anklageschrift verlesen.
    Sie war ziemlich kurz, aber inhaltsreich. Es wurden nur die Hauptgründe dargelegt, warum der Soundso beschuldigt worden sei und vor Gericht gestellt werden müsse – und so weiter. Dennoch machte sie auf mich einen starken Eindruck. Der Sekretär las klar und deutlich und mit volltönender Stimme. Die ganze Tragödie erschien jetzt gewissermaßen

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