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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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habe. Der Hund Smerdjakow wird Ihnen aus dem Jenseits kaum eine Aussage schicken – in einem Kuvert. Sie wollen immer Kuverts haben, aber eins reicht ja wohl ... Ich habe keine Zeugen ... Außer ... Höchstens einen«, fügte er nachdenklich lächelnd hinzu.
    »Wer ist dieser Zeuge?«
    »Er hat einen Schwanz, Exzellenz. Sein Äußeres ist nicht sehr salonfähig! Le diable n'existe point! Beachten Sie ihn nicht weiter, er ist ein jämmerlicher, unbedeutender Teufel«, fügte er gewissermaßen vertraulich hinzu und hörte auf zu lachen. »Er ist sicher hier irgendwie anwesend, vielleicht da unter dem Tisch mit den Beweisstücken, wo anders sollte er denn auch sitzen? Sehen Sie, ich habe zu ihm gesagt: ›Ich will nicht schweigen!‹ Aber er redet von der geologischen Umwälzung ... Dummheiten! Na, dann lassen Sie den Unmenschen frei ... Er hat eine Hymne angestimmt, das hat er deswegen getan, weil ihm leicht ums Herz ist! Es ist ganz egal, daß die betrunkene Kanaille grölt: ›Ach, mein Wanka ging nach Piter ...‹ Ich würde für zwei Sekunden Freude eine Quadrillion Quadrillionen hingeben ... Sie kennen mich nicht! Oh, wie dumm das alles bei Ihnen ist! Na, nehmen Sie mich doch fest an seiner Stelle! Ich muß doch zu irgendeinem Zweck hier hergekommen sein ... Warum ist bloß alles, was es gibt, so dumm?«
    Er sah sich wieder langsam und offenbar nachdenklich im Saal um. Alles war in Aufregung geraten. Aljoscha wollte zu ihm stürzen, doch der Gerichtsinspektor hatte Iwan Fjodorowitsch schon am Arm gefaßt.
    »Was soll denn das wieder bedeuten?« schrie dieser, packte ihn plötzlich bei den Schultern und schlug ihn wütend zu Boden.
    Schon eilte die Wache herbei und ergriff ihn; er stieß ein wütendes Gebrüll aus. Und die ganze Zeit, während er hinausgetragen wurde, brüllte und schrie er unzusammenhängende Worte.
    Ein wildes Durcheinander trat ein. Ich erinnere mich nicht an alles der Reihe nach; ich war selbst aufgeregt und nicht imstande, alle Vorgänge zu verfolgen. Ich weiß nur, daß der Gerichtsinspektor später, als sich schon alles beruhigt hatte und alle wußten, worum es sich handelte, einen Verweis erhielt, obgleich er seinem Vorgesetzten mit triftiger Begründung seine Schuldlosigkeit darlegte: Der Zeuge sei die ganze Zeit gesund gewesen, der Arzt habe zwar seinen leichten Schwindelanfall vor einer Stunde gesehen, doch habe er bis zum Eintritt in den Saal ganz vernünftig gesprochen, so daß nichts Ungehöriges vorherzusehen war – im Gegenteil, er selbst habe unter allen Umständen seine Aussage machen wollen und darauf bestanden. Bevor man sich auch nur einigermaßen beruhigt hatte, spielte sich gleich nach dieser Szene noch eine andere ab: Katerina Iwanowna bekam einen hysterischen Anfall. Sie kreischte und schluchzte laut, wollte aber nicht hinausgehen, sie riß sich von allen los, die sich um sie bemühten, und schrie auf einmal dem Präsidenten zu: »Ich muß noch eine Mitteilung machen, sofort! Hier ist ein Schriftstück, ein Brief ... Nehmen Sie ihn, lesen Sie ihn, schnell! Es ist ein Brief von diesem Unmenschen hier!« Sie zeigte auf Mitja. »Er, er hat seinen Vater ermordet, Sie werden es gleich sehen! Er schreibt mir, wie er seinen Vater ermorden will ... Der andere ist krank, er hat Nervenfieber! Ich habe schon seit drei Tagen gesehen, daß er Nervenfieber hat!«
    So schrie sie ganz außer sich. Der Gerichtsinspektor nahm das Schriftstück, das sie dem Präsidenten hinhielt. Sie sank auf ihren Stuhl, bedeckte das Gesicht mit den Händen und begann krampfhaft und lautlos zu schluchzen; ihr ganzer Körper wurde erschüttert, sie unterdrückte jedoch auch das leiseste Stöhnen aus Furcht, daß man sie aus dem Saal entfernen könnte. Das Schriftstück, das sie übergeben hatte, war Mitjas Brief aus dem Restaurant »Zur Residenz«, den Iwan Fjodorowitsch ein Dokument von mathematischer Beweiskraft genannt hatte. Leider erkannte man ihm diese mathematische Beweiskraft dann auch zu; hätte es diesen Brief nicht gegeben, wäre Mitja vielleicht nicht zugrunde gegangen – oder wenigstens nicht auf so furchtbare Weise! Ich wiederhole, es war schwer, die Einzelheiten zu verfolgen. Auch jetzt in der Erinnerung erscheint mir alles als ein schrecklicher Wirrwarr. Höchstwahrscheinlich gab der Präsident das neue Beweisstück sogleich dem Gerichtshof, dem Staatsanwalt, dem Verteidiger und den Geschworenen zur Kenntnis.
    Ich erinnere mich nur, wie man die Zeugin zu befragen begann. Auf die in mildem

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