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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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Haus war. Erinnern Sie sich an eine Wendung in dem Brief Dmitri Karamasows: ›Ich werde den Alten totschlagen, sobald Iwan abgereist ist.‹ Die Anwesenheit Iwan Fjodorowitschs erschien demnach allen als eine Garantie für Ruhe und Ordnung im Hause. Da reist er nun plötzlich ab – und Smerdjakow bekommt auch prompt, etwa eine Stunde nach der Abreise, seinen epileptischen Anfall. Das ist vollkommen begreiflich. Es sei hier erwähnt, daß Smerdjakow, bedrückt von seinen Befürchtungen und von einer eigenartigen Verzweiflung, in den letzten Tagen besonders stark das Gefühl hatte, daß möglicherweise ein epileptischer Anfall bevorstand, ein Gefühl, das bei ihm auch früher in Momenten moralischer Anspannung und Erschütterung aufgetreten war. Tag und Stunde dieser Anfälle vorherzuwissen ist zwar unmöglich, doch ob eine Disposition zu einem Anfall vorhanden ist, kann jeder Epileptiker an seinem Befinden spüren. So sagt die medizinische Wissenschaft. Und was geschieht? Kaum hat Iwan Fjodorowitsch das Haus verlassen, geht Smerdjakow, noch ganz unter dem Eindruck seiner, nun sagen wir, Verwaistheit und Schutzlosigkeit, im Rahmen seines Dienstes in den Keller, steigt die Treppe hinunter und denkt: ›Werde ich einen Anfall bekommen oder nicht? Und was, wenn er sich gleich einstellt?‹ Und eben infolge dieser Stimmung, infolge dieser Befürchtung, infolge dieser Fragen packt ihn wirklich der Kehlkrampf, der einem epileptischen Anfall immer vorausgeht, und er stürzt kopfüber bewußtlos auf den Boden des Kellers. Und in diesem höchst natürlichen Zufall sehen nun besonders schlaue Menschen etwas Verdächtiges, eine Art Fingerzeig, einen Hinweis darauf, daß er sich absichtlich krank gestellt hat! Und wenn er es absichtlich tat, so erhebt sich sogleich die Frage: Zu welchem Zweck? Mit welcher Absicht? Ich will nicht einmal von der medizinischen Wissenschaft reden: Die Wissenschaft lügt, könnte man sagen; die Wissenschaft irrt sich; die Ärzte können nicht die Wahrheit von der Simulation unterscheiden – nun gut, aber antworten Sie mir doch auf die eine Frage: Welchen Zweck hatte es für ihn, zu simulieren? Wollte er etwa, wenn er den Mord plante, durch den Anfall schon im voraus die Aufmerksamkeit im Hause auf sich lenken? Sehen Sie, meine Herren Geschworenen, in Fjodor Pawlowitschs Haus befanden sich in der Nacht, in der das Verbrechen stattfand, insgesamt fünf Menschen. Erstens Fjodor Pawlowitsch selbst: er hat sich nicht selbst ermordet, das ist wohl klar. Zweitens sein Diener Grigori: der ist selbst beinahe ermordet worden. Drittens Grigoris Frau, die Dienerin Marfa Ignatjewna: wer sie für die Mörderin ihres Herrn ausgeben wollte, müßte sich einfach schämen. Es bleiben also nur zwei Personen übrig: der Angeklagte und Smerdjakow. Da der Angeklagte versichert, er habe den Mord nicht begangen, muß es also Smerdjakow gewesen sein, eine andere Möglichkeit gibt es nicht; denn ein anderer Mörder ist nicht aufzutreiben. Daher also stammt diese schlaue, kolossale Beschuldigung des unglücklichen Idioten, der gestern seinem Leben ein Ende gemacht hat! Man beschuldigt ihn nur deswegen, weil man keinen anderen finden kann! Fiele auch nur ein Schatten von Verdacht auf jemand anders, auf irgendeine sechste Person, so bin ich überzeugt, daß sogar der Angeklagte sich schämen würde, auf Smerdjakow hinzuweisen; er würde vielmehr auf diese sechste Person verweisen! Smerdjakow dieses Mordes zu beschuldigen ist ein vollständiger Nonsens. Meine Herren, lassen wir die Psychologie, lassen wir die medizinische Wissenschaft, ja, lassen wir sogar die Logik, und wenden wir uns nur den Tatsachen zu, einzig und allein den Tatsachen, und sehen wir, was sie uns sagen ... Also Smerdjakow hat den Mord begangen. Aber wie? Allein oder gemeinsam mit dem Angeklagten? Untersuchen wir zuerst die Möglichkeit, daß Smerdjakow den Mord allein begangen hat. Natürlich muß er, wenn er den Mord beging, doch irgendeinen Zweck verfolgt, irgendeinen Vorteil gesucht haben. Da bei ihm auch nicht ein Schatten von solchen Motiven wie bei dem Angeklagten vorhanden war, Haß, Eifersucht und so weiter und so fort, konnte Smerdjakow den Mord zweifellos nur um des Geldes willen begehen, um sich die bewußten dreitausend Rubel anzueignen, die er selbst gesehen hatte, als sein Herr sie in das Kuvert steckte. Und siehe da: Nachdem er sich zu dem Mord entschlossen hat, teilt er einer anderen Person (und noch dazu einer Person, die an dem ganzen

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