Die Brueder Karamasow
Gott ist gegen mich!« rief er und blickte geistesabwesend vor sich hin.
»Sehen Sie und urteilen Sie selbst, Dmitri Fjodorowitsch«, sagte der Staatsanwalt in gewichtigem Ton. »Auf der einen Seite diese Aussage von der offenstehenden Tür, durch die Sie angeblich herausgelaufen sein sollen – eine Aussage, die Sie wie uns befremdet. Auf der anderen Seite Ihr unbegreifliches, hartnäckiges und beinahe erbittertes Schweigen über die Herkunft des Geldes, das plötzlich in Ihren Händen war, während Sie nach Ihrer eigenen Aussage noch drei Stunden vorher Ihre Pistolen versetzten, um nur zehn Rubel zu bekommen! Entscheiden Sie in Anbetracht aller dieser Umstände bitte selbst: Was sollen wir glauben, worauf sollen wir uns verlassen? Und machen Sie uns bitte keine Vorwürfe, wir seien kalte Zyniker und Spötter, außerstande, Ihren edelsten Herzensregungen zu glauben ... Versetzen Sie sich vielmehr auch in unsere Lage ...«
Mitja befand sich in unbeschreiblicher Erregung; er war ganz blaß geworden.
»Nun gut!« rief er plötzlich. »Ich werde Ihnen mein Geheimnis enthüllen! Ich werde Ihnen gestehen, wo ich das Geld herhatte, damit ich später weder Ihnen noch mir einen Vorwurf zu machen brauche.«
»Und Sie dürfen glauben, Dmitri Fjodorowitsch«, fiel Nikolai Parfjonowitsch mit gerührter und erfreuter Stimme ein, »daß Ihnen jedes aufrichtige, umfassende Geständnis, das Sie jetzt machen, Ihr Schicksal später außerordentlich erleichtern kann und daß außerdem ...«
Doch da stieß ihn der Staatsanwalt leise unter dem Tisch an und konnte ihn noch rechtzeitig unterbrechen; Mitja allerdings hatte überhaupt nicht gehört, was eben gesagt worden war.
7.
Mitjas großes Geheimnis wird nicht ernst genommen
»Meine Herren!« begann er, noch immer äußerst erregt. »Dieses Geld ... Ich will ein vollständiges Geständnis ablegen ... Dieses Geld gehörte mir!«
Der Staatsanwalt und der Untersuchungsrichter machten lange Gesichter: sie hatten etwas ganz anderes erwartet.
»Wie kann es denn Ihnen gehört haben«, wandte Nikolai Parfjonowitsch ein, »wenn Sie noch um fünf Uhr desselben Tages nach Ihrem eigenen Geständnis ...«
»Ach, zum Teufel mit diesem ›fünf Uhr desselben Tages‹ und mit meinem eigenen Geständnis – darum handelt es sich jetzt nicht! Dieses Geld war mein Geld, das heißt, mein gestohlenes Geld ... Das heißt nicht mein Geld, sondern gestohlen, von mir gestohlen, und es waren fünfzehnhundert Rubel, und ich trug sie bei mir, trug sie die ganze Zeit bei mir ...«
»Wo hatten Sie sie denn hergenommen?«
»Von meinem Hals hatte ich sie genommen, meine Herren, von meinem Hals, von diesem meinen Hals ... Hier waren sie, an meinem Hals, in einen Lappen eingenäht! Schon lange, schon einen Monat lang hatte ich sie zu meiner Schmach und Schande am Hals getragen!«
»Und von wem haben Sie sich dieses Geld ... angeeignet?«
»Sie wollten sagen ›gestohlen‹? Sprechen Sie dieses Wort jetzt nur getrost aus! Ja, ich bin der Ansicht, daß ich dieses Geld so gut wie gestohlen hatte; aber wenn Sie wollen, hatte ich es mir in Wirklichkeit nur ›angeeignet‹. Meiner Ansicht nach hatte ich es in der Tat bereits gestohlen. Und gestern, gestern abend, habe ich es nun endgültig gestohlen.«
»Gestern abend? Aber Sie sagten doch soeben, es sei schon einen Monat her, daß Sie es ... sich angeeignet hätten!«
»Ja, aber nicht von meinem Vater, nicht von meinem Vater, seien Sie unbesorgt! Nicht meinem Vater hatte ich es gestohlen, sondern ihr. Lassen Sie mich erzählen, und unterbrechen Sie mich nicht! Es fällt mir ja ohnehin schon schwer! Sehen Sie: Vor einem Monat ließ mich Katerina Iwanowna Werchowzewa, meine frühere Braut, zu sich rufen ... Kennen Sie sie?«
»Gewiß, ich bitte Sie.«
»Ich weiß, daß Sie sie kennen. Sie ist die edelste Seele, die es gibt; doch sie haßt mich schon lange, oh, schon lange ... Und verdientermaßen, verdientermaßen haßt sie mich!«
»Katerina Iwanowna?« fragte der Untersuchungsrichter erstaunt. Auch der Staatsanwalt machte große Augen.
»Oh, sprechen Sie ihren Namen nicht unnütz aus! Ich bin ein Schuft, daß ich sie hier hineinbringe. Ja, ich merkte, daß sie mich haßte ... Schon längst, schon vom erstenmal an, gleich seit jener ersten Begegnung in meiner Wohnung. Aber genug davon, Sie sind es gar nicht wert, das zu wissen, das ist durchaus nicht nötig ... Gesagt werden muß nur, daß sie mich vor einem Monat rufen ließ und mir dreitausend Rubel
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