Die Brueder Karamasow
einmal. In seinem Gesicht schien sich eine leichte Röte zu zeigen.
»Wenn ich mich freute«, sagte er, etwas mühsam atmend, »so nur deswegen, weil Sie eingewilligt hatten, nicht nach Moskau, sondern nach Tschermaschnja zu fahren. Denn das war immerhin näher. Außerdem sagte ich Ihnen diese Worte nicht als Lob, sondern als Vorwurf. Das haben Sie nicht richtig aufgefaßt.«
»Wieso als Vorwurf?«
»Weil Sie Ihren eigenen Vater verließen und uns nicht schützen wollten, obwohl Sie ein solches Unglück ahnten! Man konnte nämlich auch mich wegen dieser dreitausend Rubel belangen, als ob ich sie gestohlen hätte.«
»Hol‹ dich der Teufel!« schimpfte Iwan wieder! »Sag mal, hast du dem Untersuchungsrichter und dem Staatsanwalt von den Klopfsignalen erzählt?«
»Ich habe alles wahrheitsgemäß angegeben.«
Iwan Fjodorowitsch wunderte sich wieder im stillen.
»Wenn ich damals an etwas dachte«, begann er wieder, »so doch nur an irgendeine Abscheulichkeit von deiner Seite. Dmitri war imstande, einen Totschlag zu begehen; daß er eines Diebstahls fähig wäre, habe ich damals nicht geglaubt. Von deiner Seite aber erwartete ich jede Niedertracht. Du selber hast mir gesagt, du könntest einen epileptischen Anfall simulieren; warum hast du das gesagt?«
»Lediglich aus Offenherzigkeit. Ich habe nie im Leben einen epileptischen Anfall absichtlich simuliert; ich habe nur so gesprochen, um mich vor Ihnen zu rühmen. Aus purer Dummheit. Ich mochte Sie damals sehr und redete zu Ihnen in aller Harmlosigkeit.«
»Mein Bruder beschuldigt dich geradezu, den Mord und den Diebstahl begangen zu haben.«
»Was bleibt ihm auch anderes übrig?« versetzte Smerdjakow bitter lächelnd! »Aber wer wird ihm bei all den belastenden Momenten glauben? Grigori Wassiljewitsch hat die Tür offen gesehen: Was gibt es dagegen für eine Verteidigung? Na, Gott möge ihm verzeihen, er sucht sich in seiner Angst zu retten ...«
Er schwieg eine Weile mit ruhiger Miene und fügte dann, als hätte er es sich überlegt, hinzu: »Das ist wieder dieselbe Geschichte. Er will es auf mich abwälzen, so daß es als meine Tat erscheint, das habe ich schon gehört. Aber nehmen Sie schon allein den Umstand, daß ich einen epileptischen Anfall simulieren kann. Hätte ich Ihnen vorher gesagt, daß ich das kann, wenn ich wirklich etwas Böses gegen Ihren Vater im Schilde geführt hätte? Wenn ich einen Mord plante, konnte ich dann so dumm sein, vorher eine mich selbst belastende Aussage zu machen, und noch dazu dem leiblichen Sohn gegenüber? Ich bitte Sie! Hat das die geringste Wahrscheinlichkeit? Das ist, im Gegenteil, vollkommen undenkbar! Sehen Sie, dieses Gespräch jetzt mit Ihnen hört niemand außer der Vorsehung; doch wenn Sie es dem Staatsanwalt und Nikolai Parfjonowitsch mitteilen wollten, könnten Sie mich dadurch entscheidend verteidigen, denn welcher Verbrecher ist vorher so offenherzig? Das alles werden die Herren sehr wohl verstehen können.«
»Hör mal«, sagte Iwan Fjodorowitsch, stand auf und brach das Gespräch ab; Smerdjakows letzte Schlußfolgerung hatte auf ihn einen starken Eindruck gemacht! »Ich habe dich überhaupt nicht im Verdacht und halte es sogar für lächerlich, dich zu beschuldigen ... Ich bin dir sogar dankbar, daß du mich beruhigt hast. Jetzt gehe ich, aber ich werde wieder einmal vorbeikommen. Bis dahin lebe wohl, und werde wieder gesund! Brauchst du irgend etwas?«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, aber ich habe alles. Marfa Kondratjewna vergißt mich nicht und versorgt mich mit allem, wenn ich etwas brauche. Sie ist zu mir so gütig wie früher. Es kommen täglich gute Menschen zu mir.«
»Auf Wiedersehen! Ich werde übrigens nichts davon sagen, daß du simulieren kannst. Und auch dir möchte ich raten, nichts darüber auszusagen«, bemerkte Iwan plötzlich aus irgendeinem Grund.
»Ich verstehe. Wenn Sie das nicht angeben, werde auch ich nicht von meinem ganzen Gespräch mit Ihnen damals am Tor berichten.«
Es ergab sich, daß Iwan Fjodorowitsch schnell hinausging und es ihm erst draußen auf dem Korridor zu Bewußtsein kam, daß in Smerdjakows letztem Satz ein beleidigender Sinn enthalten war. Er wollte schon wieder umkehren, doch der Gedanke war nur flüchtig! »Dummheiten«, sagte er vor sich hin, dann verließ er eilig das Krankenhaus. Die Hauptsache war, daß er sich tatsächlich beruhigt fühlte, und zwar gerade durch den Umstand, daß nicht Smerdjakow der Schuldige war, sondern sein Bruder Mitja, obwohl
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