Die Brueder Karamasow
eingesunken und hatten blaue Ränder.
»Bist du ernstlich krank?« fragte Iwan Fjodorowitsch! »Ich werde dich nicht lange aufhalten und nicht einmal den Überzieher ablegen. Wo kann man sich denn bei dir setzen?«
Er ging zum anderen Ende des Tisches, rückte einen Stuhl an den Tisch und setzte sich.
»Warum siehst du mich so stumm an? Ich bin nur mit einer Frage hergekommen, und ich schwöre dir, ich werde dich nicht verlassen, bevor ich eine Antwort erhalten habe! Ist Fräulein Katerina Iwanowna bei dir gewesen?«
Smerdjakow schwieg lange und starrte Iwan weiterhin still an; doch machte er auf einmal eine wegwerfende Handbewegung und wandte das Gesicht ab.
»Was hast du?« rief Iwan.
»Nichts.«
»Was ist das für eine Antwort?«
»Na ja, sie ist hiergewesen. Aber das kann Ihnen doch ganz gleichgültig sein. Lassen Sie mich in Ruhe!«
»Nein, ich werde dich nicht in Ruhe lassen! Rede, wann ist sie hiergewesen?«
»Ich kann mich gar nicht mehr an sie erinnern«, sagte Smerdjakow mit einem verächtlichen Lächeln, wandte plötzlich sein Gesicht wieder Iwan zu und warf einen wütenden und haßerfüllten Blick auf ihn, genauso wie bei Iwans Besuch vor einem Monat.
»Sie scheinen ja selber krank zu sein. Was sind Sie mager geworden! Ihr Gesicht sieht ganz entstellt aus!« sagte er zu Iwan.
»Laß mein Befinden beiseite und antworte auf das, wonach du gefragt wirst.«
»Woher sind bloß Ihre Augen so gelb geworden? Die Augäpfel sehen ja ganz gelb aus. Sie quälen sich wohl sehr mit bösen Gedanken?«
Er lächelte herablassend und lachte dann auf einmal laut los.
»Hör mal, ich habe dir gesagt, daß ich dich ohne eine Antwort nicht verlassen werde!« rief Iwan überaus erregt.
»Warum setzen Sie mir so zu? Warum quälen Sie mich?« sagte Smerdjakow mit schmerzerfüllter Miene.
»Hol‹ dich der Teufel! Deine Person ist mir ganz gleichgültig. Antworte auf meine Frage, und ich werde sofort gehen.«
»Ich habe Ihnen nichts zu antworten!« erwiderte Smerdjakow und schlug die Augen wieder zu Boden.
»Ich versichere dir, daß ich dich zwingen werde, zu antworten!«
»Warum beunruhigen Sie sich denn immerzu?« antwortete Smerdjakow und sah ihn wieder an, jetzt aber nicht nur verächtlich, sondern beinahe schon angeekelt! »Etwa weil morgen die Gerichtsverhandlung stattfindet? Es wird Ihnen ja nichts passieren, glauben Sie das doch endlich! Gehen Sie nach Hause, legen Sie sich ruhig schlafen, und haben Sie keine Angst!«
»Ich verstehe dich nicht ... Was sollte ich denn morgen zu fürchten haben?« fragte Iwan erstaunt, und auf einmal wehte ihn wirklich ein kalter Schauder an.
Smerdjakow musterte ihn lange.
»Sie ver-ste-hen nicht?« erwiderte er gedehnt in vorwurfsvollem Ton! »Wie kann es nur einem klugen Menschen Spaß machen, so eine Komödie aufzuführen?«
Iwan blickte ihn schweigend an. Schon der überraschende, unerhört hochmütige Ton, in dem sein früherer Diener jetzt mit ihm verkehrte, war ungewöhnlich. Dieses Tones hatte er sich sogar das vorige Mal nicht bedient.
»Ich sage Ihnen, Sie haben nichts zu fürchten. Ich werde nichts gegen Sie aussagen, also wird gegen Sie nichts Belastendes vorliegen. Nun sehen Sie bloß, wie Ihnen die Hände zittern! Warum fahren denn Ihre Finger so hin und her? Gehen Sie nach Hause – Sie haben den Mord nicht begangen.«
Iwan zuckte zusammen, ihm fielen Aljoschas Worte ein.
»Ich weiß, daß ich ihn nicht ...«, begann er.
»Das wis-sen Sie?« unterbrach ihn Smerdjakow.
Iwan sprang auf und packte ihn an der Schulter! »Sag alles, du ekelhaftes Subjekt! Sag alles!«
Smerdjakow war nicht im mindesten erschrocken. Er blickte ihn nur mit wildem Haß unverwandt an.
»Na, wenn ich alles sagen soll: Sie haben den Mord begangen, Sie!« flüsterte er ihm böse zu.
Iwan ließ sich auf den Stuhl zurücksinken und tat, als überlegte er etwas; dabei lächelte er boshaft.
»Du redest immer noch von dem, worüber wir das vorige Mal sprachen?«
»Als Sie das vorige Mal vor mir standen, verstanden Sie alles, und jetzt verstehen Sie es auch.«
»Ich verstehe nur, daß du verrückt bist.«
»Daß Ihnen das nicht zum Halse heraushängt! Wir reden hier unter vier Augen; man möchte meinen, wozu sollten wir uns gegenseitig etwas vormachen und Komödie spielen? Oder wollen Sie immer noch die ganze Schuld auf mich wälzen, und das mir mitten ins Gesicht! Sie haben den Mord begangen, Sie sind der Hauptmörder! Ich bin nur Ihr Handlanger gewesen, Ihr treuer Diener.
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