Die Brueder Karamasow
aufzubewahren, wäre sowieso lächerlich gewesen, eher schon in der Schatulle, die wenigstens verschlossen war. Hier glauben aber jetzt alle, es hätte unter der Matratze gelegen. Eine ganz dumme Annahme ... Nach diesem Mord wäre also Dmitri Fjodorowitsch, da er nichts gefunden hätte, entweder eilig davongelaufen, aus Furcht vor jedem Geräusch, wie das immer so bei Mördern ist – oder er wäre festgenommen worden. Dann hätte ich immer noch am nächsten Tag oder vielleicht sogar noch in derselben Nacht hinter die Heiligenbilder greifen und das Geld wegnehmen können – und alles wäre Dmitri Fjodorowitsch zur Last gefallen. Darauf konnte ich immer hoffen.«
»Und, wenn er ihn nun nicht totgeschlagen, sondern nur verprügelt hätte?«
»Dann hätte ich natürlich nicht wagen können, das Geld zu nehmen, und alles wäre vergebens gewesen. Aber ich hatte auch noch darauf spekuliert, daß er ihn bewußtlos schlagen würde; dann hätte ich unterdessen das Geld nehmen und später zu Fjodor Pawlowitsch sagen können, daß Dmitri Fjodorowitsch, nachdem er ihn so geprügelt habe, auch das Geld gestohlen haben müsse.«
»Warte, ich verstehe nicht recht. Also hat doch Dmitri den Mord begangen, und du hast nur das Geld genommen?«
»Nein, er hat den Mord nicht begangen. Nun ja, ich könnte Ihnen auch jetzt noch sagen, daß er der Mörder war, doch ich will Ihnen jetzt nichts vorlügen. Denn wenn Sie auch, wie ich sehe, bisher wirklich nichts verstanden hatten und sich nicht vor mir verstellt haben, um Ihre eindeutige Schuld auf mich abzuwälzen, so sind Sie doch an allem schuld, weil Sie von dem Mord wußten und ihn mir auftrugen, selbst aber wegfuhren, obwohl Sie alles wußten. Darum will ich heute abend Ihnen mitten ins Gesicht beweisen, daß der Hauptmörder hier in jeder Hinsicht einzig und allein Sie sind, ich dagegen nur eine Nebenperson, obwohl ich den Mord begangen habe. Und Sie sind auch im Sinn des Gesetzes der wahre Mörder!«
»Warum, warum bin ich der Mörder? O Gott!« rief Iwan, der sich schließlich nicht mehr beherrschen konnte und vergaß, daß er alles, was ihn betraf, auf das Ende des Gespräches verschoben hatte! »Alles wegen dieses verdammten Tschermaschnja? Sag mal, wozu brauchtest du denn mein Einverständnis in Form meiner Bereitschaft, nach Tschermaschnja zu fahren, falls du das überhaupt als mein Einverständnis aufgefaßt hast? Wie erklärst du das jetzt?«
»Wenn ich Ihrer Zustimmung sicher gewesen wäre, hätte ich gewußt, daß Sie nach Ihrer Rückkehr über diese verlorenen
dreitausend Rubel kein Geschrei erhoben hätten, falls die Obrigkeit auf den Verdacht gekommen wäre, nicht Dmitri Fjodorowitsch – im Gegenteil, Sie hätten mich dann gegen andere verteidigt ... Und nach Empfang der Erbschaft konnten Sie mich auch später, Ihr ganzes Leben lang, belohnen. Denn Sie verdankten dann doch die Erbschaft mir; hätte er dagegen Agrafena Alexandrowna geheiratet, wären sie mit langer Nase abgezogen.«
»Ah! Also du wolltest mich später noch erpressen, mein ganzes Leben lang!« rief Iwan zähneknirschend! »Und wenn ich damals nicht weggefahren wäre, sondern eine Anzeige gegen dich eingereicht hätte?«
»Aber was konnten Sie denn in so einer Anzeige angeben? Daß ich Ihnen zugeredet hatte, nach Tschermaschnja zu fahren? Das sind ja Dummheiten! Außerdem wären Sie nach unserem Gespräch entweder weggefahren oder hiergeblieben. Wären Sie hiergeblieben, so wäre eben nichts geschehen; ich hätte dann ohne weiteres gewußt, daß Sie die Sache nicht wünschten, und hätte nichts unternommen. Wenn Sie aber wegfuhren, lag darin für mich Ihre Versicherung, daß Sie gegen mich keine Anzeige erstatten und mir diese dreitausend Rubel verzeihen würden. Und Sie konnten mich auch später nicht verfolgen, weil ich dann alles vor Gericht erzählt hätte, das heißt, nicht daß ich gestohlen und gemordet habe, das hätte ich nicht gesagt sondern daß Sie mich dazu angestiftet hätten, zu stehlen und zu morden, ich aber nicht eingewilligt hätte. Darum brauchte ich damals Ihre Zustimmung, damit Sie mich nicht in die Enge treiben konnten, denn wo hatten Sie einen Beweis? Ich dagegen konnte Sie immer in die Enge treiben, indem ich verriet, wie Sie den Tod Ihres Vaters herbeisehnten. Und ich gebe Ihnen mein Wort: im Publikum hätten es alle geglaubt, und Sie hätten sich Ihr Leben lang schämen müssen.«
»Also sehnte ich ihn herbei?« sagte Iwan wieder zähneknirschend.
»Das taten Sie
Weitere Kostenlose Bücher