Die Brueder Karamasow
zweifellos. Und durch Ihre Zustimmung erlaubten Sie mir stillschweigend diese Tat«, erwiderte Smerdjakow, wobei er Iwan fest anblickte. Er war sehr schwach und sprach leise und müde; aber etwas tief in seinem Innern stachelte ihn an; er verfolgte offensichtlich eine bestimmte Absicht. Iwan spürte das.
»Fahre fort!« sagte er, zu ihm! »Erzähle weiter von jener Nacht.«
»Was ist da weiter zu erzählen? Ich lag also da und glaubte zu hören, daß der Herr einen Schrei ausstieß. Grigori Wassiljewitsch war schon vorher aufgestanden und hinausgegangen, und auf einmal brüllte er los, dann war alles still und dunkel. Ich lag da und wartete, das Herz klopfte mir stark, ich konnte es schließlich nicht länger aushalten. Ich stand auf und ging hinaus, und da sah ich, daß links das Fenster zum Garten offenstand; ich ging hin, um zu horchen, und hörte, wie er im Zimmer hin und her ging und stöhnte; also lebte er. ›Ach was!‹ dachte ich. Ich trat ans Fenster und rief dem Herrn zu: ›Ich bin es.‹ Er antwortete mir: ›Er ist dagewesen! Dagewesen und fortgelaufen!‹ Das sollte heißen, Dmitri Fjodorowitsch war dagewesen. ›Er hat Grigori totgeschlagen!‹ – ›Wo?‹ flüsterte ich. – ›Dort in der Ecke‹, antwortete er ebenfalls flüsternd und zeigte mit der Hand hin. ›Warten Sie!‹ sagte ich. Ich ging suchen und stieß am Zaun auf Grigori Wassiljewitsch; er lag da, ganz von Blut überströmt und ohne Bewußtsein. ›Also ist es richtig, daß Dmitri Fjodorowitsch dagewesen ist!‹ schoß es mir durch den Kopf, und ich beschloß, alles sofort mit einemmal zu Ende zu bringen, da Grigori Wassiljewitsch, selbst wenn er noch lebte, in seiner Bewußtlosigkeit einstweilen doch nichts sehen würde. Es war nur eine Gefahr dabei, nämlich daß Marfa Ignatjewna plötzlich aufwachen konnte. Ich fühlte das in diesem Augenblick, aber der Eifer hatte mich so gepackt, daß mir der Atem stockte. Ich ging wieder unter das Fenster zum Herrn und sagte: ›Sie ist hier! Sie ist gekommen! Agrafena Alexandrowna ist gekommen, sie bittet um Einlaß!‹ Er zuckte zusammen wie ein kleines Kind. ›Wo ist sie, wo?‹ fragte er und stöhnte nur vor Aufregung; er glaubte es noch nicht. ›Dort steht sie‹, sagte ich. ›Machen Sie auf!‹ Er schaute mich durchs Fenster an; halb glaubte er mir, und halb nicht, doch er hatte Angst zu öffnen. ›Nun fürchtet er sich sogar vor mir!‹ dachte ich. Und es ist lächerlich: auf einmal kam mir in den Sinn, das Signal ans Fenster zu klopfen, daß Gruschenka gekommen sei; vor seinen Augen klopfte ich es! Meinen Worten hatte er offenbar nicht geglaubt; als ich jedoch das Signal klopfte, lief er sofort hin, um die Tür zu öffnen. Ich wollte eintreten, aber er stand in der Tür und versperrte mir mit seinem Körper den Weg. ›Wo ist sie? Wo ist sie?‹ fragte er, wobei er mich zitternd ansah. ›Na‹, dachte ich, ›wenn er vor mir solche Angst hat, das ist schlimm!‹ Und da wurden sogar mir die Beine schwach vor Angst, er könnte mich nicht in die Wohnung hineinlassen oder schreien oder Marfa Ignatjewna könnte angelaufen kommen oder es könnte sonst etwas passieren; ich glaube, ich stand damals selber ganz blaß vor ihm. Ich flüsterte ihm zu: ›Dort ist sie, dort unter dem Fenster! Haben Sie sie denn nicht gesehen?‹ – ›So führ sie doch her, führ sie doch her!‹ – ›Sie fürchtet sich‹, sagte ich. ›Sie hat von dem Schrei einen Schrecken bekommen und sich im Gebüsch versteckt. Gehen Sie in Ihr Zimmer und rufen Sie sie selbst vom Fenster aus!‹ Er trat ans Fenster und stellte das Licht auf das Fensterbrett. ›Gruschenka‹, rief er. ›Gruschenka, wo bist du?‹ So rief er; aber sich aus dem Fenster hinausbeugen, das wollte er nicht. Er wollte mich nicht aus den Augen lassen, eben, weil er vor mir so große Angst bekommen hatte; deshalb wagte er nicht, mich aus den Augen zu lassen. ›Da ist sie ja‹, sagte ich; ich war ans Fenster getreten und beugte mich selber ganz weit hinaus. ›Da im Gebüsch ist sie und lacht Ihnen zu, sehen Sie nicht?‹ Auf einmal glaubte er mir, begann am ganzen Körper zu zittern, er war ja so verliebt in sie, und beugte sich auch ganz weit aus dem Fenster hinaus. Da nahm ich den eisernen Briefbeschwerer von seinem Tisch, Sie erinnern sich, er mag vielleicht drei Pfund schwer sein, und schlug ihn von hinten mit der Kante genau auf den Scheitel. Er stieß nicht einmal einen Schrei aus, sondern sank nur plötzlich nach unten. Ich schlug
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