Die Brueder Karamasow
ein zweites und ein drittes Mal zu. Beim dritten Mal fühlte ich, daß ich ihm den Schädel eingeschlagen hatte. Er fiel plötzlich lang hin, mit dem Gesicht nach oben, und war ganz von Blut überströmt. Ich besah mich selbst: Kein Blut war an mir, es hatte nicht gespritzt. Ich wischte den Briefbeschwerer ab, legte ihn wieder hin, ging zu den Heiligenbildern und nahm das Geld aus dem Kuvert; das Kuvert warf ich auf den Fußboden und das rosa Bändchen daneben. Dann ging ich in den Garten, ich zitterte am ganzen Körper. Ich ging schnurstracks zu dem Apfelbaum mit der Höhlung im Stamm. Sie kennen diese Höhlung, ich hatte sie mir schon längst ausersehen. In ihr lag bereits ein Lappen und ein Blatt Papier, diese Vorbereitungen hatte ich schon lange getroffen. Ich wickelte die Geldscheine in das Papier und dann in den Lappen und schob das Ganze tief in den Baumstamm. Da hat das Geld über zwei Wochen gelegen, nachdem ich aus dem Krankenhaus entlassen war, habe ich es herausgenommen ... Ich kehrte in mein Kämmerchen zurück, legte mich wieder ins Bett und dachte voller Angst: Wenn Grigori Wassiljewitsch ganz tot ist, kann die Sache einen recht üblen Verlauf nehmen; wenn er aber nicht tot ist und wieder zu sich kommt, kann alles gut ablaufen, weil er dann bezeugen wird, daß Dmitri Fjodorowitsch dagewesen ist und somit auch den Mord begangen und das Geld weggenommen hat ... Da begann ich in meiner Angst und Ungeduld zu stöhnen, damit Marfa Ignatjewna möglichst schnell aufwachte. Endlich stand sie auf und wollte zu mir herumkommen, doch als sie auf einmal sah, daß Grigori Wassiljewitsch nicht da war, lief sie hinaus, und ich hörte, wie sie im Garten losjammerte. Na, und so nahm denn die Sache ihren Lauf, und ich war inzwischen schon vollkommen beruhigt.«
Smerdjakow verstummte. Iwan hatte ihm die ganze Zeit schweigend zugehört, ohne sich zu rühren und die Augen von ihm abzuwenden. Smerdjakow hatte Iwan beim Erzählen nur ab und zu angesehen, meist jedoch schräg zur Seite geblickt. Als er seinen Bericht beendet hatte, befand er sich offenbar in starker Erregung und atmete schwer. Sein Gesicht war schweißbedeckt, man konnte aber unmöglich erkennen, ob er Reue oder etwas anderes empfand.
»Sag mal«, sagte Iwan nach einigem Nachdenken, »was war mit der Tür? Wenn er sie erst dir geöffnet hat, wie konnte sie dann Grigori schon offen sehen, bevor du kamst? Denn das ist doch wohl der Fall gewesen?« Interessant war, daß Iwan diese Frage ganz friedlich stellte, so daß ein unbefangener Beobachter hätte glauben können, sie säßen da friedlich zusammen und redeten über irgendein gewöhnliches, wenn auch interessantes Thema.
»Was diese Tür anbelangt und Grigoris Aussage, er hätte sie offen gesehen, so ist ihm das nur so vorgekommen«, erwiderte Smerdjakow mit einem schiefen Lächeln! »Der ist ja kein Mensch, sage ich Ihnen, sondern eher ein störrischer Gaul! Er hat es nicht gesehen, aber es ist ihm so vorgekommen – und da läßt er sich nun nicht davon abbringen. Daß er sich das ausgedacht hat, ist Ihnen und mir als besonderer Glückstreffer zugefallen, denn ohne Zweifel wird Dmitri Fjodorowitsch daraufhin schließlich verurteilt!«
»Hör mal!« sagte Iwan Fjodorowitsch, der den Eindruck machte, als ob ihm seine Gedanken wieder durcheinandergerieten und er sich gewaltsam Mühe gäbe, sie zu sammeln! »Hör mal ... Ich wollte dich noch vieles fragen, aber ich habe es vergessen ... Ich vergesse alles und werde konfus ... Ja! Sag mir wenigstens das eine: Warum hast du das Kuvert erbrochen und dort auf dem Fußboden zurückgelassen? Warum hast du das Geld nicht einfach im Kuvert mitgenommen? Als du das erzähltest, schien es mir, als ob du die Sache mit dem Kuvert für notwendig hieltest – doch warum das notwendig gewesen sein soll, kann ich nicht begreifen ...«
»Das habe ich aus einem ganz bestimmten Grund gemacht. Denn ein Mensch, der wie ich mit allen Vorgängen im Haus vertraut ist, der dieses Geld vorher gesehen und vielleicht selbst in dieses Kuvert gesteckt und mit eigenen Augen gesehen hat, wie es versiegelt und adressiert wurde – weshalb sollte so einer nach dem Mord das Kuvert erbrechen, noch dazu wenn er in Eile ist, obwohl er doch sowieso weiß, daß das Geld bestimmt drinsteckt? Wäre zum Beispiel jemand von meiner Position der Dieb gewesen, hätte er vielmehr einfach das Kuvert in die Tasche gesteckt, ohne es zu öffnen, und sich damit möglichst schnell davongemacht. Ganz anders
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