Die Brueder Karamasow
aus dem ihm angewiesenen Zimmer, zum Tee heruntergekommen ist, um dem Hausherrn Gesellschaft zu leisten, aber demütig schweigt, weil er sieht, daß der Hausherr mit seinen Gedanken beschäftigt ist und mit finsterem Gesicht etwas überlegt; doch ist er zu jedem liebenswürdigen Gespräch bereit, sobald nur der Hausherr ein solches beginnen will. Auf einmal schien sein Gesicht eine plötzliche Unruhe auszudrücken.
»Hör mal ...«, sagte er zu Iwan Fjodorowitsch,«Entschuldige, ich möchte dich nur an etwas erinnern. Du warst mit der Absicht zu Smerdjakow gegangen, etwas über Katerina Iwanowna zu erfahren, bist aber weggegangen, ohne etwas über sie gehört zu haben. Du hast es gewiß vergessen ...«
»Ach ja!« rief Iwan unwillkürlich, und sein Gesicht nahm einen finsteren, besorgten Ausdruck an! »Ja, ich habe es vergessen ... Übrigens ist das jetzt ganz egal, ich habe alles auf morgen verschoben«, murmelte er vor sich hin! »Aber du brauchtest das nicht zu sagen«, wandte er sich gereizt an den Gast! »Es wäre mir sicherlich gleich selber eingefallen, weil ich mich ohnehin gerade darüber geärgert habe. Warum drängst du dich vor? Ich soll dir wohl glauben, daß du mich erst darauf gebracht hast und es mir nicht von selber eingefallen ist?«
»Bitte, glaube es nicht!« erwiderte der Gentleman freundlich lächelnd! »Was ist denn das für ein Glaube, zu dem man gezwungen wird? Außerdem helfen zum Glauben keine Beweise, und materielle am wenigsten. Thomas glaubte nicht deswegen, weil er den auferstandenen Christus gesehen hatte, sondern weil er schon vorher den Wunsch gehabt hatte zu glauben. Da sind zum Beispiel die Spiritisten, ich habe sie sehr gern ... Stell dir vor, sie meinen, sie seien dem Glauben förderlich, weil ihnen die Teufel aus dem Jenseits die Hörner zeigen. ›Das ist‹, sagen sie, ›sozusagen schon ein materieller Beweis für das Vorhandensein jener Welt.‹ Das Jenseits und materielle Beweise, o weh! Und schließlich, selbst wenn die Existenz des Teufels bewiesen ist, so bleibt doch unbekannt, ob auch die Existenz Gottes bewiesen ist. Ich will in eine idealistische Gesellschaft eintreten und ihnen Opposition machen. ›Ich bin Realist‹, werde ich sagen. ›Und nicht Materialist, hehe!‹ «
»Hör mal!« sagte Iwan Fjodorowitsch und stand plötzlich vom Tisch auf, »ich bin jetzt wie im Fieber ... Und ich habe auch wirklich Fieber ... Schwatz du, was du willst, mir ist es gleich! Du wirst mich nicht in Harnisch bringen wie das vorige Mal. Ich schämte mich nur wegen einer Sache ... Ich will im Zimmer auf und ab gehen ... Ich sehe dich manchmal nicht und höre nicht einmal deine Stimme, wie das vorige Mal, doch ich errate immer, was du schwatzt – denn ich selbst bin es, der da spricht, und nicht du! Ich weiß nur nicht, habe ich das vorige Mal geschlafen, oder habe ich dich in wachem Zustand gesehen? Jetzt werde ich ein Handtuch mit kaltem Wasser befeuchten und mir auf den Kopf legen, vielleicht wirst du dann verschwinden.‹«
Iwan Fjodorowitsch ging in die Ecke, nahm ein Handtuch, tat, wie er gesagt hatte, und begann mit dem feuchten Handtuch auf dem Kopf im Zimmer auf und ab zu gehen.
»Es gefällt mir, daß wir uns beide so ohne weiteres gleich duzen«, hob der Gast an.
»Dummkopf!« versetzte Iwan lachend! »Wie werde ich denn Sie zu dir sagen! Ich bin jetzt vergnügt, nur in den Schläfen fühle ich einen Schmerz ... Und am Scheitel ... Bitte, philosophiere bloß nicht wie das vorige Mal! Wenn du dich nicht fortscheren kannst, plaudere über etwas Lustiges! Erzähl Klatschgeschichten! Du bist ein Schmarotzer, also erzähle auch Klatschgeschichten! So ein Aufdringling ist doch nicht loszuwerden! Aber ich fürchte mich nicht vor dir. Ich werde deiner Herr werden. Man wird mich nicht ins Irrenhaus bringen!«
»C'est charmant: ein Schmarotzer! Da bin ich ja gerade in meiner richtigen Gestalt! Was bin ich denn auf der Erde anderes als ein Schmarotzer? Apropos, ich höre dich an und wundere mich ein bißchen. Wahrhaftig, du fängst offenbar allmählich an, mich tatsächlich für ein wirkliches Wesen zu halten und nicht nur für ein Gebilde deiner Phantasie, wozu du mich das vorige Mal hartnäckig erklärt hast.«
»In keinem Augenblick halte ich dich für die reale Wahrheit!« rief Iwan zornig! »Du bist eine Lüge, du bist meine Krankheit, du bist ein Gespenst. Ich weiß nur nicht, wodurch ich dich vernichten könnte, und sehe, daß ich dich eine Weile werde dulden müssen.
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