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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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über Smerdjakow zu verbreiten, um den sich episodenhaft aufdrängenden Verdacht, Smerdjakow könnte den Mord begangen haben, gründlich zu behandeln und ein für allemal zu erledigen. Er tat das sehr umständlich, und alle begriffen, daß er trotz aller Geringschätzigkeit, die er gegen diese Annahme an den Tag legte, sie dennoch für wichtig hielt.
     

8. 
Der Traktat über Smerdjakow

    »Zunächst: Wie hat ein solcher Verdacht überhaupt entstehen können?« Mit dieser Frage begann Ippolit Kirillowitsch. »Der erste, welcher rief, Smerdjakow habe den Mord begangen, war der Angeklagte selbst, und zwar im Augenblick seiner Verhaftung; dennoch hat er bis jetzt nicht eine einzige Tatsache als Beweis für seine Anschuldigung vorgebracht, ja nicht einmal eine halbwegs vernünftige Andeutung einer Tatsache. Außerdem haben nur noch drei Personen diese Beschuldigung erhoben – die beiden Brüder des Angeklagten und Fräulein Swetlowa. Aber der ältere der beiden Brüder hat seinen Verdacht erst heute im Nervenfieber, in einem Anfall eindeutiger Geistesstörung ausgesprochen, während er früher, wie uns positiv bekannt ist, die Überzeugung von der Schuld seines Bruders vollständig geteilt und nichts gegen diesen Gedanken einzuwenden versucht hat. Doch damit werden wir uns später noch besonders beschäftigen. Ferner hat uns der jüngste Bruder des Angeklagten vorhin selbst erklärt, daß er zur Unterstützung seiner Ansicht von der Schuld Smerdjakows keine Tatsachen anführen könne, nicht die geringsten; er schließe das nur aus den Worten des Angeklagten selbst und ›aus dessen Gesichtsausdruck‹ – und diesen kolossalen Beweis brachte er sogar zweimal vor. Fräulein Swetlowa drückte sich vielleicht sogar noch kolossaler aus: ›Was der Angeklagte Ihnen sagt, das können Sie glauben! Lügen widerspricht seinem ganzen Wesen.‹ Das sind alle faktischen Beweise gegen Smerdjakow, vorgebracht von drei Personen, die am Schicksal des Angeklagten ein großes Interesse haben. Und trotzdem ist die mögliche Schuld Smerdjakows ins Gespräch gekommen; diese Ansicht hat sich gehalten und hält sich noch – sollte man das glauben, kann man sich das überhaupt vorstellen?«
    Hier hielt es Ippolit Kirillowitsch für angebracht, den Charakter des verstorbenen Smerdjakow zu skizzieren, »der seinem Leben in einem Anfall krankhafter Geisteszerrüttung ein Ende gemacht hat«. Er stellte ihn dar als einen schwachbegabten Menschen mit einem gewissen Anflug von unklarer Bildung, verwirrt durch philosophische Ideen, denen sein Verstand nicht gewachsen war, entsetzt über gewisse moderne Lehren von der »Pflicht« des Menschen, die ihm von zwei Seiten entgegentraten: praktisch durch das aller Verantwortung spottende Leben seines verstorbenen Herrn und möglichen Vaters Fjodor Pawlowitsch und theoretisch durch etliche seltsame philosophische Gespräche mit dem zweiten Sohn des Herrn, Iwan Fjodorowitsch, der sich gern dieses Vergnügen gegönnt haben soll, wahrscheinlich aus Langeweile oder weil er keine bessere Gelegenheit zur Befriedigung seiner Spottsucht fand. »Er hat mir selbst von seinem Seelenzustand in den letzten Tagen seines Aufenthalts im Hause seines Herrn erzählt«, bemerkte Ippolit Kirillowitsch. »Aber auch andere bezeugen dies: der Angeklagte selbst, sein Bruder und sogar der Diener Grigori, das heißt alle, die ihn näher kennen mußten. Außerdem war Smerdjakow, den seine epileptische Krankheit sehr bedrückte, ›feige wie ein Huhn. Er fiel mir zu Füßen und küßte meine Stiefel‹, teilte uns der Angeklagte selbst mit, als er in so einer Mitteilung noch keinen Nachteil für sich erkannte. ›Er ist ein Huhn, das von Epilepsie befallen ist!‹, so drückte er sich in seiner charakteristischen Sprache aus. Und eben diesen Menschen wählt sich der Angeklagte, wie er selbst bezeugt, zu seinem Vertrauten, und schüchtert ihn dermaßen ein, daß dieser schließlich einwilligt, ihm als Spion und Zuträger zu dienen. In dieser Eigenschaft verrät er seinen Herrn und informiert den Angeklagten über die Existenz des Kuverts mit dem Geld und die Signale, mit deren Hilfe man bei dem Herrn eindringen kann – wie hätte er es auch fertigbringen sollen, können, ihm diese Mitteilungen vorzuenthalten! ›Er wollte mich totschlagen! Ich sah deutlich, daß er mich totschlagen wollte!‹ sagte er bei der Voruntersuchung, und er zitterte, während er vor uns stand, obwohl jener, der ihn in Angst versetzt hatte, damals schon

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