Die Brueder Karamasow
vorher gekannt hatte und mit ihr zusammengetroffen war; sie entbrannten mit unbändiger echt Karamasowscher Leidenschaft. Hier das Bekenntnis dieser jungen Person: ›Ich habe mich über den einen und den anderen lustig gemacht!‹ Ja, es wandelte sie auf einmal die Laune an, sich über den einen und den anderen lustig zu machen; vorher hatte sie einen solchen Wunsch nicht gehabt, nun auf einmal kam sie dieses Verlangen an – und es endete damit, daß beide besiegt vor ihr niederfielen. Der Alte, der das Geld wie einen Gott anbetete, legte dreitausend Rubel zurecht, die sie bekommen sollte, wenn sie ihn in seinem Haus besuchte. Doch bald kam er so weit, daß er es für ein Glück gehalten hätte, ihr seinen Namen und sein ganzes Vermögen zu Füßen zu legen, wenn sie nur einwilligte, seine rechtmäßige Gattin zu werden. Dafür haben wir zuverlässige Zeugnisse. Was den Angeklagten betrifft, so steht uns eine Tragödie klar vor Augen. Aber das war nun eben das ›Spiel‹, das die junge Person trieb. Dem unglücklichen jungen Mann machte die Verführerin damals nicht einmal Hoffnung; Hoffnung, wirkliche Hoffnung wurde ihm erst im allerletzten Augenblick gegeben, als er, vor ihr auf den Knien liegend, ihr seine vom Blut des Vaters und Nebenbuhlers geröteten Hände entgegenstreckte – da wurde er allerdings auch schon verhaftet. ›Schickt mich mit ihm zusammen zur Zwangsarbeit nach Sibirien! Ich habe ihn soweit gebracht! Ich bin die Schuldige!‹ rief sie in jenem Moment, von aufrichtiger Reue erfüllt. Der talentierte junge Mann, der es sich zur Aufgabe gemacht hat, den vorliegenden Prozeß zu schildern, derselbe Herr Rakitin, den ich früher bereits erwähnt habe, skizziert in einigen knappen charakteristischen Sätzen den Charakter dieser Heldin so: ›Frühe Enttäuschung durch erlittenen Betrug, früher Fall, Untreue des Verführers, der sie im Stich läßt; dann Armut, der Fluch der ehrenhaften Familie und endlich die Gönnerschaft eines reichen alten Mannes, den sie auch jetzt noch für ihren Wohltäter hält. In dem jungen Herzen, das viel Gutes in sich haben mag, sammelte sich seit früher Zeit ein geheimer Zorn. Ein berechnender, auf Anhäufung von Kapital bedachter Charakter bildete sich heraus. Es entwickelten sich Spottlust und Rachsucht gegen die Gesellschaft.‹ Nach dieser Charakteristik ist es verständlich, daß sie sich über den einen und den anderen lustig machen konnte und mit ihnen nur ihr boshaftes Spiel trieb. Und in diesem Monat der hoffnungslosen Liebe, der moralischen Vergehen, der Untreue gegen seine Braut, der Aneignung fremden Geldes, das ihm anvertraut war – in diesem Monat wird der Angeklagte außerdem noch durch die stete Eifersucht in Raserei und Wut versetzt, und zwar Eifersucht auf wen? Auf seinen Vater! Und was die Hauptsache ist: Der alte Mann sucht das Objekt der Leidenschaft seines Sohnes durch dieselben dreitausend Rubel zu gewinnen, die der Sohn für sein Eigentum hält, für das ihm von seiner Mutter zugefallene und angeblich durch seinen Vater vorenthaltene Erbteil! Ja, ich gebe zu, daß das schwer zu ertragen war! Da konnte auch eine Manie entstehen. Nicht um das Geld handelte es sich, sondern darum, daß mittels dieses Geldes sein Glück auf so ekelhaft zynische Weise zerstört wurde!«
Dann kam Ippolit Kirillowitsch darauf zu sprechen, wie in dem Angeklagten der Gedanke des Vatermordes allmählich herangereift war, und verfolgte dies an Hand der Tatsachen.
»Anfänglich schreien wir nur in den Wirtshäusern; den ganzen Monat über schreien wir. Oh, wir leben gern unter Menschen und teilen diesen Menschen gern sogleich alle unsere Gedanken mit, selbst die teuflischsten und gefährlichsten; wir lassen die Menschen an allem, was uns bewegt, teilnehmen und fordern noch dazu, daß diese Menschen unsere Offenherzigkeit mit Sympathie erwidern, auf alle unsere Sorgen und Bekümmernisse eingehen, uns zustimmen und unseren Wünschen keine Hindernisse bereiten. Sonst werden wir wütend und bringen das ganze Restaurant in Aufruhr.« (Es folgte die Geschichte von dem Stabskapitän Snegirjow.) »Diejenigen, die den Angeklagten in diesem Monat sahen und hörten, hatten schließlich das Gefühl, daß diese Drohungen gegen den Vater möglicherweise nicht mehr leeres Geschrei waren, sondern am Ende zur Tat werden würden.« (An dieser Stelle beschrieb der Staatsanwalt die Familienzusammenkunft im Kloster, die Gespräche mit Aljoscha und die Mißhandlungsszene im Haus des Vaters,
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