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Die Brueder Karamasow

Die Brueder Karamasow

Titel: Die Brueder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fjodr Michailowitsch Dostojewski
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als der Angeklagte nach dem Mittagessen bei ihm eingedrungen war.) »Ich denke nicht daran, eigensinnig zu behaupten«, fuhr Ippolit Kirillowitsch fort, »daß der Angeklagte schon vor dieser Szene mit Vorbedacht den Plan gefaßt hatte, seine Streitigkeiten mit dem Vater durch dessen Ermordung zu beenden. Trotzdem war dieser Gedanke schon einige Male vor ihm aufgetaucht, und er hatte ihn überlegt von allen Seiten betrachtet, dafür haben wir Tatsachen, Zeugen und sein eigenes Geständnis. Ich bekenne, meine Herren Geschworenen, ich habe sogar bis heute geschwankt, ob ich dem Angeklagten bei dem sich ihm aufdrängenden Verbrechen einen bewußten Vorbedacht unterstellen sollte. Ich war fest überzeugt, daß seine Seele schon mehrmals im voraus an den verhängnisvollen Augenblick gedacht, jedoch eben nur an ihn gedacht, ihn sich als Möglichkeit vorgestellt, aber noch nicht den Zeitpunkt der Ausführung und die näheren Umstände festgelegt hatte. Doch ich habe nur bis heute geschwankt, bis zu diesem verhängnisvollen Schriftstück, das Fräulein Werchowzewa heute dem Gericht vorgelegt hat. Sie haben selbst ihren Ausruf gehört, meine Herren! ›Das ist ein vollständiger Plan, ein Programm des Mordes!‹ So hat sie den unglücklichen Brief des unglücklichen Angeklagten genannt. Und in der Tat, dieser Brief hat durchaus die Bedeutung eines Programms und ist der Beweis für einen Vorbedacht. Er wurde zwei Tage vor dem Verbrechen geschrieben, und durch ihn ist uns jetzt mit Sicherheit bekannt, daß der Angeklagte zwei Tage vor der Ausführung seines furchtbaren Plans geschworen hat, wenn er sich am nächsten Tage kein Geld beschaffen könne, werde er seinen Vater ermorden, um ihm das Geld wegzunehmen, das bei ihm unter dem Kopfkissen lag, ›in dem Kuvert mit dem roten Bändchen, sobald Iwan abgereist ist‹. Hören Sie: ›sobald Iwan abgereist ist‹. Hier ist also schon alles bedacht, die Umstände sind erwogen – später hat er dann alles so ausgeführt, wie er es geschrieben hatte! Vorbedacht und Überlegung stehen außer Zweifel; das Verbrechen sollte zum Zweck des Raubes ausgeführt werden: Das hat er unumwunden erklärt, niedergeschrieben und unterschrieben. Der Angeklagte leugnet seine Unterschrift nicht ab. Man wird sagen: Er hat das in der Trunkenheit geschrieben. Aber dadurch wird die Beweiskraft nicht abgeschwächt, sondern das Schriftstück wird nur um so bedeutungsvoller. Er hat in betrunkenem Zustand niedergeschrieben, was er nüchtern überlegt hatte. Hätte er das nicht in nüchternem Zustand überlegt, hätte er es nicht in betrunkenem niedergeschrieben. Man wird vielleicht fragen: Warum hat er denn in den Wirtshäusern so ein Geschrei von seiner Absicht gemacht? Wer sich zu einer solchen Tat mit Vorbedacht entschließt, der schweigt darüber und hält es geheim. Das ist richtig; aber Geschrei machte er nur, solange er noch keine Pläne und keine vorbedachte Absicht hatte, solange bloß der Wunsch vorhanden war und das Verlangen heranreifte, später schon viel weniger. An jenem Abend, als er sich im Restaurant ›Zur Residenz‹ betrank und diesen Brief schrieb, war er gegen seine Gewohnheit schweigsam, spielte nicht Billard, saß abseits, redete nicht und zwang nur einen Gehilfen, von seinem Platz aufzustehen; doch das tat er beinahe unbewußt, in seiner Gewohnheit, Streit zu suchen: Wenn er nämlich in ein Wirtshaus kam, konnte er gar nicht mehr anders, als Streit anfangen. Zwar mußte dem Angeklagten gleichzeitig mit dem endgültigen Entschluß auch der Gedanke kommen, daß die Sache gefährlich war, da er in der Stadt zu viel Geschrei davon gemacht hatte und das sehr leicht den Verdacht auf ihn lenken und ihn überführen könnte, wenn er nun seine Absicht ausführte. Aber geredet hatte er nun einmal davon, das ließ sich nicht ungeschehen machen; und schließlich war er bisher immer mit heiler Haut davongekommen, es würde also auch jetzt glücken. Wir hofften auf unseren Stern, meine Herren! Ich muß außerdem einräumen, daß er viel tat, um ohne die verhängnisvolle Tat auszukommen, daß er alle möglichen Anstrengungen machte, um einen blutigen Ausgang zu vermeiden: ›Morgen werde ich alle möglichen Leute um dreitausend Rubel bitten‹, wie er in der ihm eigenen Sprache schreibt. ›Wenn sie mir jedoch nichts geben, wird Blut fließen.‹ Das hat er wiederum in betrunkenem Zustand niedergeschrieben und wiederum nüchtern so ausgeführt, wie er es geschrieben hatte!«
    Jetzt widmete sich

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