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Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
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vielleicht wird sie es wollen. Ich sage nur, daß sie nicht kommt. Vielleicht will sie aber noch viel mehr: nämlich gnädige Frau werden. Ich weiß selbst, der Kaufmann Samsonow hat ihr ganz offen gesagt, daß das gar nicht dumm wäre, und dabei hat er gelacht. Und sie selber ist, was den Verstand anlangt, ziemlich gewitzt. Einen armen Teufel wie Dmitri Fjodorowitsch wird sie nicht heiraten. Erwägen Sie in Anbetracht alles dessen nun folgendes, Iwan Fjodorowitsch. Weder Dmitri Fjodorowitsch noch Sie und Ihr Bruder Alexej Fjodorowitsch würden dann nach dem Tode des Vaters etwas von der Hinterlassenschaft erhalten, nicht einen Rubel. Agrafena Alexandrowna wird ihn ja eben zu dem Zweck heiraten, allen Grundbesitz auf ihren Namen umschreiben zu lassen und das Kapital als Eigentum zu erhalten. Stirbt jedoch Ihr Vater jetzt, bevor etwas von all dem geschehen ist, so fallen jedem von Ihnen sofort vierzigtausend Rubel zu, sogar Ihrem Bruder Dmitri Fjodorowitsch, den er so haßt. Ein Testament hat er nämlich noch nicht gemacht ... Und das alles weiß Dmitri Fjodorowitsch ganz genau.«
    In Iwan Fjodorowitschs Gesicht schien sich etwas zu verkrampfen. Er wurde auf einmal rot.
    »Und, warum rätst du mir unter all diesen Umständen, nach Tschermaschnja zu fahren?« unterbrach er Smerdjakow. »Worauf willst du damit hinaus? Ich fahre weg, und bei euch passiert inzwischen etwas, wie?«
    Iwan Fjodorowitsch holte keuchend Atem.
    »Das ist vollkommen richtig«, erwiderte Smerdjakow leise und bedachtsam, dabei beobachtete er Iwan Fjodorowitsch unverwandt.
    »Was meinst du mit ›vollkommen richtig‹?« fragte Iwan Fjodorowitsch. Er beherrschte sich nur mit großer Anstrengung, und seine Augen blitzten drohend.
    »Ich habe das gesagt, weil Sie mir leid tun. Wäre ich an Ihrer Stelle, würde ich lieber alles im Stich lassen, als bei so einer Sache anwesend sein ...«, antwortete Smerdjakow und blickte Iwan Fjodorowitsch mit der offenherzigsten Miene an.
    Beide schwiegen eine Weile.
    »Ich glaube, du bist ein großer Idiot! Und außerdem natürlich ein furchtbarer Schurke!« sagte Iwan Fjodorowitsch und stand plötzlich von der Bank auf.
    Danach wollte er gleich durch das Tor gehen, doch er blieb noch einmal stehen und drehte sich zu Smerdjakow um. Und da geschah etwas Seltsames. Iwan Fjodorowitsch biß sich plötzlich krampfhaft auf die Lippe, ballte die Fäuste und – noch ein Augenblick, und er hätte sich auf Smerdjakow gestürzt. Der bemerkte es sofort, fuhr zusammen und beugte den Oberkörper zurück. Der Augenblick ging für Smerdjakow jedoch glücklich vorüber.
    Iwan Fjodorowitsch schickte sich schweigend, aber anscheinend unentschlossen an zu gehen.
    »Ich fahre morgen nach Moskau, wenn du es wissen willst, morgen früh. Weiter habe ich dir nichts zu sagen!« sagte er noch zornig. Später wunderte er sich selbst darüber, warum er es für nötig gehalten hatte, Smerdjakow das mitzuteilen.
    »Das ist auch das beste«, fiel dieser ein, als ob er darauf gewartet hätte; »höchstens, daß Sie in einem solchen Fall telegrafisch beunruhigt werden können.«
    Iwan Fjodorowitsch blieb wieder stehen und wandte sich wieder schnell zu Smerdjakow um.
    Auch an dem Diener schien eine Veränderung vorgegangen zu sein. Seine ganze Vertraulichkeit und Lässigkeit war urplötzlich verschwunden, sein Gesicht drückte gespannte, jetzt jedoch schüchterne, unterwürfige Erwartung aus. ›Wirst du nicht noch etwas sagen? Noch etwas hinzufügen?‹ Diese Frage war in seinem unverwandt auf Iwan Fjodorowitsch gerichteten Blick zu lesen.
    »Würde man mich denn nicht auch aus Tschermaschnja zurückrufen – in einem solchen Fall?« schrie Iwan Fjodorowitsch plötzlich, und zwar unverständlicherweise sehr laut.
    »Auch in Tschermaschnja würde man Sie beunruhigen ...«, murmelte Smerdjakow beinahe flüsternd; dabei starrte er Iwan Fjodorowitsch weiterhin an.
    »Nur ist Moskau weiter und Tschermaschnja näher; da tut es dir wohl um das verfahrene Geld leid, wenn du so für Tschermaschnja bist? Oder tue ich dir leid, daß ich eine so weite Fahrt hin und zurück mache?«
    »Vollkommen richtig«, murmelte Smerdjakow zögernd und grinste widerwärtig. Er machte sich wieder bereit, notfalls rechtzeitig zurückzuweichen.
    Doch Iwan Fjodorowitsch lachte plötzlich zu Smerdjakows Verwunderung los und ging durch das Tor. Wer sein Gesicht gesehen hätte, dem wäre sicher aufgefallen, daß er keineswegs aus heiterer Stimmung lachte. Auch er selbst hätte

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