Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brüder Löwenherz

Die Brüder Löwenherz

Titel: Die Brüder Löwenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Lindgren
Vom Netzwerk:
genügend Männer herausgesucht hatte, fuhr er über den Fluß zurück.
    »Und wahrscheinlich sitzt er jetzt zufrieden in seiner Burg und glaubt, das Heckenrosental sei vor Entsetzen gelähmt«, sagte Jonathan, als wir heimgingen.
    »Er bildet sich bestimmt ein, daß es hier nur noch verängstigte Sklaven gibt.«
    »Aber da irrt er sich«, sagte Matthias. »Tengil begreift nicht, daß er Menschen, die für ihre Freiheit kämpfen und fest zusammenhalten wie wir, niemals unterdrücken kann.«
    Wir kamen an einem von Apfelbäumen umgebenen Häuschen vorbei, und Matthias sagte:
    »Da wohnte der, den sie vorhin erschlagen haben.«
    Auf der Türschwelle saß eine Frau. Ich erkannte sie vom Marktplatz her wieder, ihr Schreien, als Tengil auf ihren Mann wies, klang mir noch in den Ohren. Jetzt hatte sie eine Schere in der Hand und war dabei, ihr langes blondes Haar abzuschneiden.
    »Was tust du, Antonia?« fragte Matthias.
    »Was machst du mit deinem Haar?«
    »Bogensehnen«, sagte Antonia. Mehr sagte sie nicht. Doch nie werde ich den Ausdruck ihrer Augen vergessen, als sie dies sagte. Im Heckenrosental werde vieles mit dem Tode bestraft, hatte Jonathan gesagt. Am allergefährlichsten aber war es, Waffen zu besitzen. Tengils Soldaten durchsuchten Häuser und Gehöfte nach versteckten Bogen und Schwertern und Speeren. Doch sie fanden nie etwas. Dennoch gab es kein Haus und keinen Hof, wo man nicht Waffen versteckte und Waffen schmiedete für den Kampf, der schließlich kommen mußte. Tengil hatte auch denen, die Waffenverstecke verrieten, als Belohnung Schimmel versprochen.
    »Wie einfältig«, sagte Matthias. »Glaubt er wirklich, daß es im Heckenrosental einen einzigen Verräter gibt?«
    »Nein, nur im Kirschtal gibt es einen«, sagte Jonathan betrübt. Ich wußte zwar, es war Jonathan, der hier neben mir ging, aber es war schwer zu glauben, so wie er mit seinem Bart und in seinen Lumpen aussah.
    »Jossi hat nicht gesehen, was wir an Grausamkeit und Unterdrückung gesehen haben«, sagte Matthias.
    »Sonst hätte er das, was er getan hat, nie tun können!«
    »Was mag wohl Sophia unternehmen?« fragte Jonathan.
    »Ob Bianca gut angekommen ist?«
    »Das wollen wir von Herzen hoffen«, sagte Matthias. »Und auch, daß Sophia Jossi das Handwerk gelegt hat.«
    Als wir zum Matthishof kamen, sahen wir dort Dodik im Gras liegen und mit drei anderen Tengilmännern Würfel spielen. Sie hatten wohl ihren freien Tag, denn sie lagen den ganzen Nachmittag dort zwischen den Heckenrosenbüschen, wir konnten sie vom Küchenfenster aus sehen. Sie würfelten und aßen Speck und tranken Bier, das sie sich kübelweise vom Markt geholt hatten. Nach einiger Zeit wurde ihnen das Würfeln über. Da aßen und tranken sie nur. Schließlich tranken sie nur noch. Und dann taten sie gar nichts mehr und krochen auf allen vieren wie Käfer im Gebüsch herum. Zu guter Letzt schliefen sie ein. Ihre Helme und Umhänge hatten sie ins Gras geworfen. An einem so warmen Tag war es bestimmt lästig, beim Biertrinken einen dicken Wollmantel zu tragen.
    »Wenn Tengil das wüßte, würde er sie prügeln lassen«, sagte Jonathan. Dann lief er zur Tür hinaus, und ehe ich mich ängstigen konnte, war er schon wieder zurück mit einem Mantel und einem Helm.
    »Was willst du denn mit diesem Teufelszeug?« fragte Matthias.
    »Das weiß ich noch nicht«, antwortete Jonathan.
    »Aber es können Zeiten kommen, wo ich es vielleicht brauche.«
    »Es können aber auch Zeiten kommen, wo du dafür eingelocht wirst«, sagte Matthias. Jonathan riß sich seine Lumpen und den Bart herunter, legte den Umhang um und setzte den Helm auf, und da stand er und sah genau wie ein Tengilmann aus, es war unheimlich. Matthias schauderte, und er flehte ihn an, dieses Teufelszeug doch um des Himmels willen im Schlupf zu verstecken. Und das tat Jonathan. Dann legten wir uns hin und verschliefen den Rest des Tages, deshalb weiß ich nicht, was passierte, als der Fettwanst Dodik und seine Kumpane aufwachten und merkten, daß ein Helm und ein Mantel verschwunden waren. Matthias schlief zwar auch, war aber für kurze Zeit wach gewesen und erzählte uns nachher, daß er von draußen aus dem Heckenrosendickicht Schreie und Flüche gehört habe. In der Nacht arbeiteten wir weiter an dem unterirdischen Gang.
    »Noch drei Nächte, mehr nicht«, sagte Jonathan.
    »Und was geschieht dann?« fragte ich.
    »Dann geschieht das, weswegen ich hier bin«, sagte Jonathan. »Vielleicht gelingt es nicht,

Weitere Kostenlose Bücher