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Die Brueder

Die Brueder

Titel: Die Brueder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jan Guillou
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Augen hast.«
    »Lass hören!«, erwiderte sie, ohne hochzuschauen.
    Die von ihr eingenommene Pose war zwar psychologisch ausdrucksvoll, aber als Bild undenkbar. Wie sollte er ihr das nur erklären?
    »Du liest ernsthaft ein Buch«, begann Sverre. »Du bist kein feines Mädchen, das Schund liest oder die Bücher, die feine Mädchen lesen sollten. Du liest ernsthaft und hast dir das Buch selbst ausgesucht. Du bist eine Intellektuelle. Genau das willst du ausdrücken. Wer hat im Übrigen das Buch geschrieben, das du dir als Lektüre für das Porträt vorstellst?«
    »Heinrich Heine«, antwortete sie, weiterhin ohne hochzuschauen.
    »Nicht schlecht. Und welches seiner Bücher?«
    »Entweder Reisebilder , weil sie so abwechslungsreich und unterhaltend sind, oder Das Buch der Lieder , weil es so ­politisch ist. Halsbrecherische Verse, Ironie, Satire, alles. Kein Wunder, dass es in Deutschland verboten war. Nun? Habe ich die Prüfung bestanden?«
    »Das war keine Prüfung. Ich war einfach nur neugierig. Du hast also ein Buch gewählt, das deine Schwestern oder Cousinen nie gewählt hätten?«
    Sie schaute hoch, lächelte kurz, aber erwiderte nichts.
    Sverre drehte Margrete an den Schultern, sodass sie schräg am Schreibtisch saß, und bat sie, das Buch im Schoß zu halten und zum Fenster zu schauen, als hätte sie kurz in der Lektüre innegehalten, um nachzudenken.
    Sie erklärte, das gefalle ihr nicht. Sie wolle kein romantisch-verträumtes Mädchen sein, das etwas herbeisehne, in der Regel den Mann fürs Leben. Diese würde ganz sicher einen einfacheren, auf dem Land spielenden englischen Liebesroman lesen. Fehlte nur der Strauß roter Rosen auf dem Schreibtisch.
    Nein, erklärte er. Keine Rosen, insbesondere keine roten. Aus dem von ihr genannten Grund. Hingegen Schreibzeug und Papier. Die Frau auf dem Bild sollte jederzeit ihr Buch beiseitelegen, Notizen machen oder einen ihrer zahlreichen täglichen Briefe schreiben können.
    »Du hast vollkommen recht«, sagte sie. »Du hast verstanden, was ich will, und vor allen Dingen, was ich nicht will. Aber da wir schon einmal hier sind, darf ich dich etwas ganz anderes fragen?«
    »Natürlich.«
    »Bist du für oder gegen das Frauenwahlrecht?«
    »Dafür, natürlich.«
    »Das habe ich geahnt. Ist Albie inzwischen ebenfalls dafür?«
    »Natürlich. Wir sind beide für das allgemeine und gleiche Wahlrecht.«
    »Seid ihr in Dresden zu dieser Überzeugung gekommen?«
    »Vermutlich. Ich muss zugeben, dass ich zu Hause in Norwegen nicht viel über Fragen der Demokratie nachgedacht habe.«
    »Monatelang habe ich unzählige Essen über mich ergehen lassen und mir alle Mühe gegeben, dieser alten Streitfrage auszuweichen, ohne zu ahnen, dass ich beide Gentlemen auf meiner Seite habe. All right, Herr Künstler. Du hast den Auftrag.«
    »Das freut mich. Ich freue mich schon darauf, ein Bild zu malen, dessen Wert wir beide kennen, deine Familie jedoch möglicherweise nicht. Aber gestatte du mir auch noch eine Frage: Wieso kam dir das mit dem Frauenwahlrecht ausgerechnet jetzt in den Sinn?«
    »Wegen deiner Art, in Bildern zu mir zu sprechen. Obwohl du ein Mann bist, nimmst du mich als Menschen wahr. Übrigens, was hältst du von meiner Kleiderwahl?«
    Es war nicht ganz einfach, auf diese Frage eine taktvolle Antwort zu finden. Die zugrunde liegende Idee war gut. Hochgeschlossene Bluse mit Rüschenkragen, grauer langer Rock und schwarze Stiefel ohne Absatz, wie man sie im Haus trug. Kein Prunk und keine Oberflächlichkeit, sie war eine junge Frau, der andere Dinge bedeutend wich­tiger waren. Deswegen sollte ihr Porträt auch anders werden als jene, die es bislang im Haus gab.
    »Der Gedanke ist richtig. Ich verstehe, was du mit dieser Kleidung beabsichtigst«, sagte Sverre nach längerer Bedenkzeit. »Aber ich finde, du bist zu weit gegangen. Du stammst nicht aus dem Kleinbürgertum und wirst auch nie dazu gehören. Du bist Lady Margrete. Weder du noch ich können das ändern. Natürlich will man sich von den politischen Überzeugungen seiner Familie distanzieren … Du musst entschuldigen, ich gehe zu weit. Entschuldige vielmals.«
    »Keine Ursache! Sprich weiter!«
    » Well, du bist Lady Margrete, hast aber politisch radikale Ansichten, du hegst ein echtes Interesse an Literatur, der Glanz der Oberschicht interessiert dich nicht. So weit bin ich einverstanden, und das will ich auch in deinem Porträt darstellen.«
    »Und was würdest du ändern wollen?«
    »Bei Albies Willkommensessen

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